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Eingesandt: Die fröhlichen MassenmörderInnen von Auschwitz – Der Wahnsinn der Normalität

28. Dezember 2009

So lautet der Titel eines Meilensteins der Psychoanalyse von Arno Gruen, in dem er eine grundlegende Theorie zur menschlichen Destruktivität darlegt und den Realismus als Krankheit diagnostiziert. Arno Gruen ist der erste Psychoanalytiker, der von Max Stirner geschätzt worden wäre: „Aus fixen Ideen entstehen die Verbrechen.“ – aus:  Der Einzige und sein Eigentum. Diese fixen Ideen manifestieren sich dann in den jeweiligen Realismen der NationalsozialistInnen, BolschewistInnen, GottesstaatlerInnen und DemokratInnen aller Spielvarianten. Kein Mensch wird als MassenmörderIn geboren, sondern dazu gemacht. Erschreckend ist nicht der Umstand, dass diese „Bestien“ auch menschlich sein können, z. B. liebend mit ihren Kindern umgehen und gleichzeitig völlig kaltblütig jüdische Kinder ermorden. Ein ehemaliger polnischer KZ-Häftling drückte dies mit folgenden Worten aus: „Sie konnten Menschen totschlagen – und sie waren ganz normal dabei – das kann ich nicht verstehen.“ Wer dies verstehen will, dem seien die Bücher von Arno Gruen wärmstens empfohlen. Bestechend ist aber auch, dass er nicht nur auf Machtpsychopathen wie Adolf Hitler, Josef Stalin und Mao Zedong zurückgreift, sondern vorwiegend auf Ronald Reagan und Margaret Thatcher (z. Z. der Entstehung) zurückgreift. Was die willfährigen HandlangerInnen dazu treibt, bis zum Äußersten des Kadavergehorsams zu gehen, beschreibt eine kleine Anekdote des 1923 geborenen Arno Gruen sehr anschaulich: Seine Lehrerin ermahnte Arno Gruens Klasse, sie sei zu undiszipliniert. Deshalb beschloss sie, einen Rohrstock zu beschaffen, um die Kinder gegebenenfalls mit ihm zu bestrafen. Sie nahm also ihr Portemonnaie aus der Tasche, suchte einen Groschen heraus und fragte, wer zum Laden laufen wolle, um den Rohrstock zu kaufen. 29 Zeigefinger schnellten in die Höhe, nur der des sechsjährigen Arnos nicht. „Ist das nicht verrückt“, wundert sich der Psychoanalytiker noch heute, „alle wollten unbedingt den Stock kaufen, mit dem sie geschlagen werden sollten.“ Dieser Selbstverrat führt zum Selbsthass, der sich als Hass gegen seine Mitmenschen entlädt, da dieser immer ab einem gewissen Zeitpunkt unerträglich wird.

Der folgende Film veranschaulicht dies anhand eines Fotoalbums der NazischergInnen vom Juni 1944, also auf dem Höhepunkt des Holocaust in Auschwitz.

http://www.youtube.com/watch?v=4HW9o2Pklh4

Hier sind einige Fotos aus dem Film dokumentiert:

http://isurvived.org/InTheNews/Auschwitz-SSguards_floric.html

Durch die Analysen von Arno Gruen werden Genozide wie der Völkermord an den Armeniern, während der Kulturrevolution in China, die „Massensäuberungen“ der Roten Khmer in Kambodscha, der Völkermord in Ruanda und das Massaker von Srebrenica ebenso verständlich wie die nationalsozialistischen Konzentrationslager und die stalinistischen Gulags, aber auch die Völkermorde im „Heiligen Land“ und die neuere US-Foltergeschichte z. B. im Abu-Ghuraib-Gefängnis.

Antifaschistischer Widerstand gegen Nazis und BolschewistInnen ist immer erforderlich, aber um das Übel an der Wurzel zu packen, ist eine grundlegendere Veränderung der Gesellschaft von Nöten.

Der Wahnsinn lauert unter uns, seid wachsam, denn er ist wirklich Scheißnormal.

Der Verrat am Selbst

http://www.antipsychiatrieverlag.de/versand/titel/gruen_verrat.htm

Die Angst vor Autonomie bei Mann und Frau. Vorwort von Gaetano Benedetti. Über Autonomie als volle Übereinstimmung mit den eigenen Gefühlen und Bedürfnissen. Original 1986

Original-Verlagsinfo

Der Begriff Autonomie hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Als Demonstration der eigenen Stärke und Überlegenheit ist das Streben nach einer so verstandenen Autonomie jedoch ein Kind unserer modernen Leistungsgesellschaft – und ein folgenreiches Missverständnis. Denn wirkliche Autonomie ist, wie der Psychoanalytiker Arno Gruen in diesem Buch überzeugend darlegt, der Zustand, in welchem der Mensch sich in voller Übereinstimmung mit seinen Gefühlen und Bedürfnissen befindet. Gerade aber durch das herrschende Erfolgs- und Leistungsdenken ist vielen der Zugang zu ihrem Selbst versperrt: Die durch den Erziehungsdruck eingeleitete Anpassung lässt Lebendigkeit, Kreativität und Liebesfähigkeit verkümmern. Dieser Verlust erzeugt Abhängigkeit und Unterwerfung.

Arno Gruen analysiert die menschlichen Entwicklungsstufen und Lebenssituationen, innerhalb derer Autonomie blockiert wird. So zeigt er unter anderem, wie die Unterdrückung der Frau oder die seelische Verarmung des Mannes als Folge mangelnder Autonomie Ausdruck einer Grundstörung sind. Neben den pathologischen Formen befasst er sich ausführlich mit der Abnormalität des vermeintlichen Normalen. Das Buch geht weit über die Grenzen der Psychiatrie hinaus, denn es fragt nach dem Menschsein in der heutigen Gesellschaft. »Das Buch eines Gelehrten und Utopisten. Wir haben solche nötig.« (Martin Roda-Becher)

Der Wahnsinn der Normalität

http://www.antipsychiatrieverlag.de/versand/titel/gruen_wahn.htm

Gruen über seine Reaktion auf die »beruflichen Erlebnisse mit dem Wahnsinn der Realität, der im Namen der Liebe Tod und Zerstörung bringt«. Original 1989

Original-Verlagsinfo

Über das Böse in der Welt ist viel nachgedacht worden, und die Psychologie hat verschiedene Thesen zur Destruktivität des Menschen entwickelt. Selten wurden aber mit solcher Konsequenz die Ursachen aufgespürt wie von Arno Gruen, wenn er zeigt, wie Gewalt und Unmenschlichkeit im Inneren des Menschen entstehen und wie sich unser soziales Leben darauf eingerichtet hat, dass der herrschende Wahnsinn lebensfeindlichen Handelns den Mantel realitätsgerechten Verhaltens trägt. Er öffnet den Blick dafür, dass menschliche Destruktivität nicht einfach eine Fähigkeit zum Bösen ist, sondern vielmehr die Folge eines Mangels, der als solcher nicht erkannt wird: Wo das Vermögen abhanden gekommen ist, die eigenen Gefühle wahrzunehmen, und Selbsthass an deren Stelle getreten ist, ist auch die Fähigkeit zu wirklichem Mitgefühl und echtem Mitfühlen verlorengegangen.

Im »Wahnsinn der Normalität« legt er die Wurzeln der Destruktivität frei, die sich viel öfter, als es uns klar ist, hinter vermeintlicher Menschenfreundlichkeit oder ordnungsstiftender Vernunft verbergen. Arno Gruen besticht durch die Vielzahl der Beispiele, zu denen auch die unfasslichen Ereignisse im Dritten Reich oder im Vietnamkrieg gehören, und schafft die überzeugende Beweislage, dass dort, wo Innenwelt und Außenwelt keine Einheit bilden, verantwortungsvolles Handeln und echte Menschlichkeit ausbleiben.

Der Fremde in uns

http://www.antipsychiatrieverlag.de/versand/titel/gruen_fremde.htm

Arno Gruens Ziel ist es, die zerstörerischen Anteile in uns, die das Eigene zum Fremden machen, als eigentliche Krankheit offen zu legen. Dabei geht es um individuelle Antriebe bis hin zum politischen Handeln. Originalausgabe

Original-Verlagsinfo

»Ich fürchte, unsere Kultur engt uns von Anfang an ein und treibt uns weg von dem, was wir sein könnten«, sagt Arno Gruen. Sein Ziel ist es, die zerstörerischen Anteile in uns, die das Eigene zum Fremden machen, als eigentliche Krankheit offen zu legen. Ignorieren wir dies, muss unser Geschichtsbewusstsein unvollständig bleiben, und Pogrome, Holocaust, ethnische Säuberungen und verdeckter oder offener Fremdenhass werden weiter die Geschichte des Menschen bestimmen.

Der Fremde in uns, das ist der uns eigene Teil, der uns abhanden kam und den wir zeit unseres Lebens, jeder auf seine Weise, wiederzufinden versuchen. Manche tun es, indem sie mit sich selbst ringen, andere, indem sie andere Lebewesen zerstören. Der Widerstreit zwischen diesen zwei Ausrichtungen des Lebens, die beide von derselben Problematik bestimmt sind, wird über die Zukunft unseres Menschseins entscheiden. Die Einsichten dieses Buches sind engstens verknüpft mit dem Leben und Leiden der Patienten, deren Eltern Nazi-Täter waren. Ihr Leben steht exemplarisch für die Suche nach dem Fremden in uns und der Aussöhnung mit ihm. Ihr Mut, sich mit diesem Schicksal auseinander zu setzen, trug außerordentlich dazu bei, das Rätsel zu entschlüsseln, das im Weitergeben des eigenen Opferseins durch das Tätersein liegt. Ziel ist es, dazu beizutragen, die zerstörerischen Anteile wie panische Angst, rastlose Leidenschaft, blinden Hass, besonders den Hass auf Fremde, zurückzudrängen, bevor sie übermächtig werden.

Arno Gruen ermutigt uns, den eigenen unbekannten Kontinent der Gefühle zu erforschen. Dabei geht es um individuelle Antriebe bis hin zum politischen Handeln und darum, jene Einsichten zu gewinnen, die das zwischenmenschliche Handeln leiten.

Da diese Bücher aufeinander aufbauen sollten sie auch in dieser Reihenfolge studiert werden.

Sie sollten vielleicht auch bei Syndikat-A im Angebot aufgenommen werden, auch wenn Arno Gruen die „Demokratie“ retten möchte. 😉

69 Kommentare leave one →
  1. 28. Dezember 2009 17:03

    DEIZID
    STATT
    GENOZID

  2. Markus permalink
    29. Dezember 2009 01:51

    Schön, dass diese beiden großartigen psychologischen Denker, Max Stirner und Arno Gruen hier angemessen gewürdigt werden. Ein Anarchosyndikalismus, der auf solche Erkenntnisse verzichten wollte, würde an seiner eigenen Beschränktheit zugrunde gehen.

    • Dieter Hildebrandt & Urban Priol 1988: Zur deutschen Ärzteschaft und ihrer Geschichte bis heute permalink
      15. März 2014 21:04

      Dieter Hildebrandt & Urban Priol 1988:

      Zur deutschen Ärzteschaft und ihrer Geschichte bis heute

  3. Robert permalink
    30. Dezember 2009 17:40

    Danke auch von mir, Arno Gruen kannte ich noch nicht, werde sie mir in der Statdtbiblio ausleihen. Stirner hab ich vor einer Ewigkeit gelesen, werd ich auch nochmal lesen. Der Artikel hat mein Interesse geweckt für dieses Thema.

  4. 31. Dezember 2009 04:15

    Ein Filmbericht aus den Vorhöllen von Auschwitz und vom Archipel Gulag. Die Folter vom Abu-Ghuraib-Gefängnis geschieht täglich in den US-Gefängnissen, ist alltäglicher Wahnsinn, eben ganz Normal.
    Wie klein mag wohl der Schritt zur Ausrottung von Menschen sein, welcher wieder ein großer Sprung für die Unmenschlichkeit sein wird?

    Folter – Amerikas brutalste Gefängnisse Teil 1 von 5 (zusammen 50 min.)

  5. Anarchosyndikalist permalink
    5. Januar 2010 01:14

    Nach der Befreiung von Auschwitz zog die Normalität ein. Die SS-TäterInnen genossen bald ein gut bürgerliches Leben in britischen Lagern, denen bald die Zäune fehlten und die russischen Gefangenen von Auschwitz kämpften verzweifelt in den Lagern Stalins um ihr Überleben.

  6. Fritz Dünenplatt permalink
    20. Januar 2010 14:06

    Ein ganz normaler, aber ranghoher katholischer Seelsorger erläuterte vor ein paar Jahren im TV, dass es sich die Menschen zu leicht machen würden, wenn sie sich vorstellten, dass Hitler ganz sicher als Satansbraten in der Hölle schmorgebraten würde, denn wenn dieser in seinem letzten ihm schlagenden Stündchen all seine Sünden bereut hätte und den Herrn Herzjesuslein um Vergebung gebten hat, dann wäre er ganz sicher Heim ins Himmelreich gekommen.
    Der rehabilitierte Bischof der Piussekte, die Demokratie schon für Teufelswerk halten, hat mit seiner ganz normalen Auschwitzverleugnung, klargestellt, dass alles gar nicht so schlimm war, schließlich wäre es ganz normal, wenn eben nur ein paar Hunderttausend umgekommen wären.

    • punk permalink
      24. Oktober 2012 00:15

      den noblen preis für hitler, post humus, goil. obama lästert grüßen hahahahaha

  7. Sascha permalink
    25. Januar 2010 21:36

    Ein interessanter Film mit Arno Gruen

    • syndikalismusTV permalink
      10. August 2011 00:26

      Arno Gruen – Empathie und soziales Verhalten – GESAMTLÄNGE
      (zwar nur 4 min länger aber Gesamtlänge 😉 )

  8. Ernst Mohlmann permalink
    25. Januar 2010 22:50

    Fotos von der Front

    Die deutsche Kriegsfotografie im Zweiten Weltkrieg
    Ein Film von Martin Luksan / erschienen 2009

    Sie alle haben einst versucht, den Zweiten Weltkrieg als Abenteuer zu präsentieren: einfache Soldaten genauso wie Pressefotografen. Davon zeugen die Fotoalben der Landser auf Flohmärkten, aber auch die Berge von Pressebildern in Archiven. Martin Luksan hat das Wiener Bildmaterial gesichtet und daraus einen Film gemacht, der intime Einblicke in den Blitzkrieg in Frankreich 1940 und in den Überfall auf die Sowjetunion 1941 gibt. Die Bilder, Interviews und Wochenschau-Ausschnitte seines Films geben nicht mehr Schlachten und Meinungen über Schlachten wieder, sondern dokumentieren den Kriegsalltag der Soldaten und das Funktionieren der deutschen Kriegsmaschine.
    Fotos von der Front zeigt die verschiedenen Phasen eines Krieges, zerstörte Welt des Feindes und die Idylle mitten im Krieg. Die Historikerin Michaela Pfundner erklärt die Bedingungen für dieses aberwitzige Fotografieren. Ein zugleich kritischer und dichter Film über die Zwiespältigkeit von Kriegsfotografie schlechthin.
    DVD, ca 48 Minuten, Euro 14,99
    ISBN 978-3-86569-094-4

  9. Anarchosyndikalist permalink
    27. Januar 2010 01:05

    Der ganz normale Wahnsinn in Afghanistan, nicht mehr, aber auch nicht weniger.

    Interview zur Afghanistan-Strategie
    „Für eine militärische Lösung ist es zu spät“
    http://www.tagesschau.de/inland/afghanistan1596.html

  10. georg permalink
    27. Januar 2010 15:26

    wenn der wahnsinn weitergegangen wäre ……………

  11. 12. April 2010 17:15

    Die drei Bücher von Arno Gruen gibt es nun auch bei Syndikat-A zu bestellen, unterstützt die eigenen Strukturen. Der Antipsychiatrieverlag sollte aber weiterhin einen Besuch wert sein, da er die Gruen-Titel nicht selberverlegt (dtv) wird es ihn nicht weiter schmerzen, aber die Publikationen des Antipsychiatrieverlages sind auch sehr gut für Psychiatriebetroffene und deren Angehörigen und FreundInnen.

    • Die geballte Faust des Narzissten ~ Das Phänomen Fremdenhass aus psychologischer Sicht permalink
      28. September 2013 18:03

    • Die geballte Faust des Narzissten ~ Das Phänomen Fremdenhass aus psychologischer Sicht TEXT permalink
      28. September 2013 18:15

      Die psychologische Logik von Fremdenhass ist immer die gleiche: Der andere wird als „böse“ heruntergemacht, um das eigene, schwache Ego zu stabilisieren, sagt sie Therapeutin Astrid von Friesen. Sie kritisiert, dass die Politik diese Dynamik oft noch anstachele.

      Wie entsteht Fremdenangst bis hin zum Fremdenhass? Auf der individuellen Ebene ist es eine narzisstische, chronische Wut oftmals aufgrund von eisiger Kälte in der eigenen Familie, wo sich erstens kein Urvertrauen bilden konnte und Hass gegen die eigenen Eltern entstand, der nicht gefühlt werden darf. Zweitens, wo in der Trotzphase das Kind nicht zivilisiert, das heißt adäquat mit seinen Wutanfällen umzugehen lernte. Drittens, wenn bis zur Pubertät sich das Selbstwertgefühl nicht stabilisiert hat, so dass es durch die Abwertungen, Entwürdigung, Verachtung von anderen hochgehalten werden muss. Der Narziss wartet sozusagen mit geballter Faust in der Tasche, um sein brüchiges ICH zu verteidigen. Dahinter steht also die Angst vor dem Zerfallen dieses ICHs.

      Außer der individuellen Ebene gibt es die Gruppenebene. Ethnologen würden fragen: Wer sind WIR und wer sind die ANDEREN? Evolutionär sind wir geprägt als Jäger und Sammler unsere eigene kleine Gruppe gegen Fremde und unser Territorium zu verteidigen. Die Neurophysiologie hat es ebenfalls bewiesen: Wir neigen spontan dazu Fremde abzulehnen, um unser Gruppen-WIR-Gefühl zu stärken.

      Doch wird dieser Reflex nicht durch die Vernunft und kraft unserer in der Kindheit erfahrenen Zivilisierung gebremst, kommt es zu dem Gefühl, dass die eigene Gruppe bedroht ist, woraufhin wir das ICH aufgeben und uns sozusagen unter das Dach des Gruppen-WIR stellen.

      Um sich selbst als zivilisiert zu empfinden, wird der andere abgewertet

      Wir identifizieren uns dann mit dem jeweiligen Führer und seinen Parolen und geben unsere Vernunft an die Gruppe ab, verschmelzen mit ihr. Um uns selbst als zivilisiert, domestiziert, also überlegener empfinden zu können, müssen wir die anderen als wild, unzivilisiert und barbarisch abtun. Der Soziologe Norbert Elias beschreibt diesen komplizierten Mechanismus als Projektion: Wir projizieren unsere eigenen sogenannten „bösen“ Anteile, also unsere Wut auf die Eltern und die Gesellschaft, auf die Fremden.

      Hinzu kommen, wie der berühmte Gruppenanalytiker Vamik Volkan schreibt „auserwählte Traumata“, das heißt tradierte Erzählungen, Klischees und Vorurteile gegenüber die Fremden wie zum Beispiel: „Die dealen doch alle …“, „Die gehen auf den Strich …“, „Sie belästigen unsere Kinder …“.

      Das Gleiche passiert natürlich auch auf der Seite zum Beispiel der türkischen Einwanderer: Sie haben sich zum Teil bereits vor 50 Jahren in bestimmten Stadtteilen zusammengeschlossen, um ihr brüchiges Selbstwertgefühl in der Fremde zu stabilisieren oder scharen sich um muslimische Führer. Sie lehnen die deutsche Gesellschaft teilweise als unzivilisiert, halbnackt, unmoralisch und gottlos ab, entwerten sie also, um sich selbst aufzuwerten und sich durch Sitten und Gebräuche, ihre Sprache und die sichtbaren Kopftücher abzugrenzen.

      Die Politik stachelt diese Gruppendynamik auf beiden Seiten extrem an, wenn sie zum Beispiel Asylsuchende in großen Wohnanlagen unterbringt. So nach dem Motto: Diese Kaserne, dieses Lehrlingswohnheim steht gerade leer und muss genutzt werden: In der Logik und Aggressivität des Verwaltungsdenkens!

      Doch es gibt auch Gemeinden, die einfühlsam und klug diese Menschen in einzelnen Wohnungen über die Stadt verteilt wohnen lassen, weil dann die Integration besser voranschreitet, da keine Seite sich bedroht fühlen muss und die eigene Vernunft und eigene Einfühlung in das Schicksal der Anderen walten lassen kann.

      Astrid von Friesen, Jahrgang 1953, ist Journalistin, Erziehungswissenschaftlerin sowie Gestalt- und Trauma-Therapeutin in Dresden. Sie unterrichtet an der Universität in Freiberg, arbeitet in der Lehrerfortbildung und Supervision. Außerdem schreibt sie Bücher, zuletzt: „Schuld sind immer die anderen! Die Nachwehen des Feminismus: frustrierte Frauen und schweigende Männer“ (Ellert & Richter Verlag Hamburg).

      http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/politischesfeuilleton/2265584/

  12. 17. Mai 2010 01:47

    Die einzige Zwangsmitgliedschaft in der NS-Diktatur bestand bei HJ und BDM.

    Hitlers Kinder

    http://www.youtube.com/user/syndikalismusTV#grid/user/5599C0344D9FF9F0

  13. 19. August 2010 19:16

    Im Programm wurde eine neue Playlist zu dem Thema erstellt,
    einer 6-teiligen Doku folgen 52 sehr kurze Teile (1-2 min)
    der Originalzeugenaussagen

    http://www.youtube.com/user/syndikalismusTV#grid/user/BE90671F5659A593

    • 20. August 2010 03:13

      sehr gut – aber jemand muss beim runterladen und archivieren helfen- wer weiss wie lange jootuube noch „mitspielt“…

  14. 12. Dezember 2010 22:01

    Nacht & Nebel – Auschwitz, Chelmno, Treblinka
    http://www.youtube.com/user/syndikalismusTV#grid/user/0E852852979D390F

  15. Baadengegangener Andreas permalink
    24. März 2011 23:22

    Die Posener Reden waren zwei Geheimreden, die Heinrich Himmler als Reichsführer-SS am 4. und 6. Oktober 1943 im Rathaus der damals von Deutschen besetzten polnischen Stadt Posen hielt. Ihre Aufzeichnungen sind die ersten bekannten Dokumente aus der Zeit des Nationalsozialismus, in denen ein hochrangiges Regierungsmitglied die damals stattfindenden Massenmorde an Juden vor ausgewähltem Publikum offen aussprach. Sie belegen, dass das NS-Regime den Holocaust gewollt, geplant und durchgeführt hat.

  16. Anarchosyndikalist permalink
    2. Juni 2011 11:17

    Hier ein sehr interessantes Interview mit Arno Gruen

    http://www.videoportal.sf.tv/video?id=d25645f0-5a04-41d8-a286-de489437c30b

  17. 8. Juli 2011 02:02

    Ganz normale Henker erzählen

  18. syndikalismusTV permalink
    9. August 2011 23:02

    Hier drei längere Beiträge mit Arno Gruen

    Arno Gruen – Der Verlust der Identität

    Arno Gruen – Gespräch (Audio)

    Arno Gruen – Gespräch (2006)

  19. 23. August 2011 21:54

    Francisco Boix – Un fotógrafo en el infierno

    Francisco Boix, es el único español que declaró contra importantes miembros del gobierno nazi en el Proceso de Nuremberg. El documental nos narra la vida de este fotógrafo, que al exiliarse tras la Guerra Civil Española, acabó en el campo de concentración de Mauthausen.

    Destinado en el laboratorio fotográfico del campo, consiguió sacar los negativos de unas 2.000 fotos que posteriormente servirían de prueba acusatoria en el famoso Juicio.

    Francisco Boix, un fotógrafo en el infierno está dirigido por Llorenç Soler, un acreditado director de más de 30 documentales. Sus films han sido premiados en diversos festivales internacionales.

    Soler, Llorenç
    Director: Soler, Llorenç

  20. Irre im Krieg permalink
    16. Oktober 2011 22:04

    Irre im Krieg – Macht & Missbrauch der Militärpsychiatrie Doku

  21. Ein anderes Auschwitz-Album permalink
    16. Oktober 2011 23:22

    Das Auschwitz Album

  22. Ein Volk. Ein Radio. Eine Millionen Tote. Ruanda 1994. permalink
    6. Dezember 2011 13:05

    Rückschau: „Hate Radio“

    Ein Volk. Ein Radio. Eine Millionen Tote. Ruanda 1994.

    „Tötet diese Kakerlaken nicht mit einer Kugel. Hackt sie in Stücke.“ Dieser unverblümte Mordaufruf, wirksam zwischen Popmusik und Wetterbericht über den Radiosender RTLM verbreitet, steht für den unfassbaren Massenmord in Ruanda. Der Schweizer Theatermacher Milo Rau hat die finsteren Tage vom Frühsommer 1994 wieder lebendig gemacht, als in Ruanda knapp eine Millionen Tutsi von aufgehetzten Hutu-Milizen brutal ermordet wurden. Vor wenigen Tagen gab es die Vorpremiere am Originalschauplatz, im Genozid-Museum in Kigali.

    Weiter http://www.daserste.de/ttt/beitrag_dyn~uid,rf3ecyyt8zzsmaws~cm.asp

    Tourdaten „Hate Radio – The Re-Enactment“

    01. bis 04.12.2011: Berlin, HAU
    25., 27. bis 29.01.2012: Zürich, Migros-Museum
    08. und 09.02.2012: Luzern, Südpol
    22. und 23.03.2012: Brüssel, Beursschouwburg
    19. bis 21.04.2011: Basel, Kaserne
    25., 27. bis 29.04.2012: Bern, Schlachthaus

    Ausstellung „Hate Radio“

    Bregenz (Kunsthaus): bis 22.01.2012
    Zürich (Migros Museum): 25. bis 29.01.2012

    ——-

    Hass-Radio auf der Bühne
    Das Berliner Theater Hebbel am Ufer rekonstruiert das ruandischen Völkermordradio RTLM
    Von Eberhard Spreng

    Hundertausende Menschen starben 1994 beim Völkermord in Ruanda. RTLM hieß der Sender, in dessen Programm sich aktuelle Popmusik mit Mordaufrufen abwechselte. In seinem Projekt Hate Radio lässt der Schweizer Künstler Milo Rau den Sender auf der Bühne originalgetreu wiederauferstehen.

    http://www.dradio.de/aodflash/player.php?station=1&broadcast=57942&datum=20111202&playtime=1322843808&fileid=3f8ad67e&sendung=57942&beitrag=1619295&/

  23. Das Auschwitz Album permalink
    25. Januar 2012 15:47

    Das Auschwitz Album

  24. Triumph des Geistes permalink
    4. Mai 2012 12:53

    Triumph des Geistes

  25. Die Natur des Bösen permalink
    22. Oktober 2012 22:47

    Die Natur des Bösen

    Was ist eigentlich böse? Können Menschen böse sein – oder sind nur ihre Taten böse? Aber das Böse erscheint uns umso augenfälliger, je eindeutiger es darauf abzielt, das Schöne, das Heile,………….. Arno Gruen, Milgramexperiment ……………

    http://www.zdf.de/ZDFmediathek/#/beitrag/video/1749936/Die-Natur-des-B%C3%B6sen

  26. Täter ohne Reue permalink
    25. Oktober 2012 20:12

    Täter ohne Reue

    Ist kriminelles Verhalten angeboren oder erlernt? Kann jeder Mensch zum Killer werden? Kann man „Das Böse“ in Hirnscans sehen? Das sind die Fragen, die sich Neurowissenschaftler und forensische… Ugandas Kindersoldaten …… NS-Zeit ……. Die normale Bestie in uns!

    http://www.zdf.de/ZDFmediathek/#/beitrag/video/1758614/T%C3%A4ter-ohne-Reue

  27. Psychopathology of Everyday Life - by Sigmund Freud permalink
    29. Oktober 2012 18:14

    Psychopathology of Everyday Life – by Sigmund Freud

  28. El Genocidio de Ruanda permalink
    5. Januar 2013 01:13

    El Genocidio de Ruanda http://www.youtube.com/watch?v=2V9n7SEaHfw

    Conferencia de Cristóbal Moya realizada en las jornadas libertarias del Octubre Rojinegro de 2012 de la CNT-AIT de Granada sobre los precedentes y hechos del Genocidio de Ruanda y otros que se produjeron en la zona.

  29. Erscheinungsform Mensch: Adolf Eichmann permalink
    13. Januar 2013 23:22

    „Erscheinungsform Mensch: Adolf Eichmann“ ist eine erschütternde Dokumentation, die die Zeit des Holocaust lebendig werden lässt, und Einblick in die Gedankenwelt des Organisators dieses Verbrechens verschafft: Adolf Eichmann.

    Die Dokumentation kontrastiert Eichmanns Aussagen und Erinnerungen – im Original-Ton dokumentiert – direkt mit denen von Holocaust-Überlebenden. Das Bild um Person und Verbrechen runden die vielen Zeitzeugen ab, die entweder an der Festnahme von Eichmann oder dem sich anschließenden Prozess beteiligt waren – etwa die betreuenden Ärzte und Psychologen, die Wärter und Polizeikräfte bis zum Verhörleiter, dem Staatsanwalt und dem Richter des Prozesses.

    Zum Film gehört eine 24-seitige Dokumentation, die eine Szenenübersicht, ein Protokoll und mehr enthält, und die kostenfrei hier heruntergeladen werden kann: http://www.pb.nrw.de/materialien/Materialien-ErscheinungsformMensch-AdolfEichmann.pdf

    Der Film „Erscheinungsform Mensch: Adolf Eichmann“ wird von der Landeszentrale für politische Bildung Nordrhein-Westfalen erstmals als digitales Bildungsmedium zur Verfügung gestellt. Der Film wurde vor über 30 Jahren gedreht, sein Erzählrhythmus ist langsam und sehr sorgfältig.

    Materialien zum Film als PDF unter http://bit.ly/Ochyoq

  30. Die Gesichter des (((Bösen))) Normalen: Der Holocaust permalink
    18. April 2013 23:39

    Die Gesichter des (((Bösen))) Normalen: Der Holocaust

    Die Dokumentation zeigt die Geschichte der NS-Verbrecher, die Todeslager und Deportationen organisierten, Kriegsverbrechen und Massenmorde begingen und niemals Reue zeigten.

    http://www.zdf.de/ZDFmediathek/hauptnavigation/startseite#/beitrag/video/1744230/Die-Gesichter-des-B%C3%B6sen:-Der-Holocaust

  31. KZ Westerbork (Holland) - Doku permalink
    19. April 2013 23:28

    KZ Westerbork (Holland) – Doku

    Am 1. Juli 1942 wurde aus dem Zentralen Flüchtlingslager Westerbork offiziell ein Durchgangslager. Das Lager wurde dem Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD unterstellt und erhielt den Namen Polizeiliches Judendurchgangslager. Innerhalb von zwei Jahren wurden mehr als 100.000 Menschen in das Lager gebracht, in dem sie kürzere oder längere Zeit blieben. Auch wenn es in Westerbork keine Grausamkeiten gab — anders als in den niederländischen Konzentrationslagern Amersfoort und Vught und erst recht anders als in den Lagern in Deutschland –, war das Leben in Westerbork alles andere als angenehm. Die Unterbringung war absolut ungenügend. Die schlecht gebauten Wohnbaracken waren überfüllt, Privatsphäre gab es nicht und die hygienische Situation war erbärmlich.

  32. Industrie und Terror - Die Wirtschaftsführer im 3. Reich permalink
    20. April 2013 11:02

    Industrie und Terror – Die Wirtschaftsführer im 3. Reich

  33. Frauen als Beute - Wehrmacht und Prostitution permalink
    21. April 2013 18:57

    Frauen als Beute – Wehrmacht und Prostitution

    Maria K. aus Posen – eines der Opfer der Zwangsprostitution für die deutsche Wehrmacht. Nach 1940 begannen die NS-Behörden mit der Einrichtung von Militärbordellen. Die Frauen galten als „Material“, wurden mit Gewalt in besetzten Gebieten oder in Konzentrationslagern rekrutiert. Als Opfer sind sie bis heute nirgends anerkannt. „Die SS-Männer kamen und suchten sich die schönen Frauen aus. Sie sagten – für die Front, die Soldaten zu versorgen.

  34. Das Waffen-SS-Massaker von Sant'Anna di Stazzema permalink
    24. April 2013 18:43

    Das Waffen-SS-Massaker von Sant’Anna di Stazzema

    Playlist

  35. Hitlers Polizei permalink
    25. April 2013 00:30

    Hitlers Polizei

  36. Der Judenhetzer Julius Streicher und der Stürmer permalink
    29. April 2013 21:30

    Der Judenhetzer Julius Streicher und der Stürmer

  37. Streicher - Nürnberger Prozess permalink
    29. April 2013 21:34

    Streicher – Nürnberger Prozess

    Streicher in den Nürnberger Prozesstagen am 26. und 29. April 1946 mit Verteidigungsreden.

  38. Der Gelbe Stern - Judenverfolgung im 3. Reich permalink
    3. Mai 2013 14:35

    Der Gelbe Stern – Judenverfolgung im 3. Reich

  39. Als das Morden begann ~ Hutu & Tutsi in Ruanda 1994 permalink
    10. September 2013 23:58

    Als das Morden begann ~ Hutu & Tutsi in Ruanda 1994

    Als das Massaker des Völkermords 1994 in Ruanda beginnt, wird der Offizier Augustin Muganza in der Haupstadt Kigali von seiner Familie getrennt. Er ist Hutu, doch seine Frau, eine Tutsi, und seine drei Kinder sind vor keiner Machete sicher. Ausgerechnet sein Bruder Honoré hetzt als Radioreporter die verfeindeten Gruppen auf.

  40. Die SS - Der Machtkampf permalink
    16. Oktober 2013 21:36

    Gerüchte über einen angeblichen Putsch der SA und gezielt gestreute Indiskretionen über Homosexualität lieferten den Vorwand für eine deutsche Bartholomäusnacht: Am 30. Juni 1934 töteten Kommandos der SS im Auftrag Hitlers die Führer der rivalisierenden Partei-Organisation, der SA (Sturmabteilung).
    Doch nicht nur mit Parteirivalen wurden alte Rechnungen beglichen. In einer bis dahin nie gekannten Terrorwelle starben etwa hundert Menschen – darunter Politiker der konservativen Opposition wie Kurt von Schleicher oder Hitlers alter Weggefährte Gregor Strasser.
    In dieser Nacht der langen Messer begann der Aufstieg der SS zum gefährlichsten Machtinstrument der braunen Diktatur. Innerhalb weniger Jahre wucherte die Schutzstaffel von der persönlichen Leibwache Hitlers zu einem monströsen Terrorapparat, der Staat und Partei durchdrang.

  41. Holocaust - Die Lüge von den ahnungslosen Deutschen permalink
    20. Oktober 2013 12:07

    Was wussten die Deutschen vom Holocaust?
    Interview mit dem Historiker Eberhard Jäckel
    Moderation: Christoph Schmitz

    Die Kenntnisse vom Judenmord im Dritten Reich waren offenbar weiter verbreitet als bisher angenommen. In der Reihe „Schriften des Bundesarchiv“ erscheint jetzt eine Publikation mit geheimen Berichten von NS-Organisationen wie sich die nichtjüdische Bevölkerung gegenüber Juden und deren Verfolgung verhielt. Herausgeber der Sammlung ist der Historiker Eberhard Jäckel. Dass viele Deutsche, gerade höhergestellte Personen, nicht von den Verbrechen erfahren hätten, bezeichnet Jäckel als Legende.

    Christoph Schmitz: In der Reihe „Schriften des Bundesarchiv“ gibt es jetzt eine Publikation mit geheimen Berichten von NS-Organisationen aus den Jahren 1933 bis 1945 über Aktivitäten und Organisationen der Juden in Deutschland, aber auch darüber, wie sich die nichtjüdische Bevölkerung gegenüber Juden und gegenüber deren Diskriminierung und Verfolgung verhält. Über 3.700 Dokumente sich auf eine CD-Rom versammelt. Für den Druck wurden über 750 Berichte ausgewählt. Herausgeber der Sammlung ist neben Otto Kulka der Historiker Eberhard Jäckel. Gab es, nach diesen Quellen zu urteilen, eine weit verbreitete Kenntnis der deutschen Bevölkerung über die Deportation und Ermordung der Juden?

    Eberhard Jäckel: Die Ermordung der Juden war ja offiziell geheim, aber in diesen geheimen Stimmungsberichten finden wir immer wieder Kenntnisse, mehr von den Erschießungen als von den Vergiftungen, und was man sehr viel beobachten kann, ist Angst vor Repressalien. Die Leute sagen, als die sechste Armee in Stalingrad in Gefangenschaft geraten war, nun werden möglicherweise unsere Angehörige in sowjetischer Gefangenschaft so behandelt werden – so steht das dann wörtlich da -, wie wir die Juden behandelt haben.

    Schmitz: Das heißt, die Deutschen haben vom Holocaust mehr gewusst als man bisher dachte?

    Jäckel: Sie verallgemeinern mir jetzt etwas zu schnell. Die Deutschen, das können wir nicht sagen. Wir können nicht einmal sagen, wie viele. Wir können nur sagen, dass die Kenntnisse ziemlich weit verbreitet waren, und ich ziehe daraus den Schluss, sie waren verbreiteter als die Bevölkerung nach 1945 eingeräumt hat. Dann hatten sehr viele gesagt, auch hochgestellte Personen, sie hätten nie davon erfahren. Diese Legende kann man durch diese Stimmungsberichte wohl als widerlegt ansehen. Sehr viele haben sehr viel gewusst.

    Schmitz: Ab wann haben denn mehr Deutsche viel gewusst, ab welchem Jahr etwa?

    Jäckel: Ich rede jetzt vor allem von den Ermordungen, von dem Mord an den europäischen Juden, und der hat mit dem Beginn des Ostfeldzuges im Sommer 1941 eingesetzt. Vorher konnte man von diesen Dingen gar nicht sprechen, weil sie nicht stattgefunden hatten. Dann aber findet man schon im Juli und in weiteren Monaten des Sommers 1941 Hinweise darauf. Das ist auch verhältnismäßig leicht erklärlich, weil die ersten Ermordungen, Massenerschießungen im Freien waren, und viele deutsche Soldaten haben das gesehen. Einige haben in ihren Feldpostbriefen davon berichtet, das ist eher etwas seltener, aber sie haben bei ihren Heimaturlauben ihren Angehörigen davon erzählt und von da an hat sich die Erkenntnis in großen Teilen der Bevölkerung ausgebreitet.

    Schmitz: Und was die Verfolgung und Diskriminierung der Juden in Deutschland vor 1939 angeht?

    Jäckel: Ja, das war natürlich zum großen Teil öffentlich. Das war bekannt. Da gibt es eine Menge von Zustimmung in den Berichten, aber auch eine Menge von Missbilligung, zum Beispiel zu der so genannten Reichskristallnacht von 1938. Das ist eigentlich nichts Neues, das haben wir seit langem gewusst, das ist von der Bevölkerung, wie es dann so in den Berichten steht, teilweise nicht verstanden worden, zum Teil wegen der Verschwendung von Rohstoffen, aber auch mit dem Argument, Gotteshäuser verbrennt man nicht auf diese Weise.

    Schmitz: Was erfährt man denn in diesen NS-Berichten vor allem über das konkrete Verhalten der nichtjüdischen Deutschen gegenüber der Verfolgung der Juden nach 1941, wie Sie es gerade beschrieben haben?

    Jäckel: In den Berichten werden die Stimmungen und Meinungen wiedergegeben, nicht das konkrete Verhalten. Das konkrete Verhalten ist ja auch in einer Diktatur sehr eingeschränkt. Die konnten nicht demonstrieren. Die konnten auch nicht bei den öffentlichen Stellen protestieren. Was mir immer wieder auffällt, ist, diese Deutschen, die sich da äußern, waren nicht sehr eingeschüchtert. Sie äußern ihre Meinung, aber das ist es auch.

    Schmitz: Muss denn eine bislang akzeptierte wissenschaftliche Ansicht revidiert werden oder zumindest etwas korrigiert werden?

    Jäckel: Die wissenschaftliche Beschäftigung bekommt durch unser Werk – das, denke ich, darf ich in aller Bescheidenheit sagen – eine Grundlage, die sie bisher in diesem Umfang noch nicht gehabt hat. Es sind 3.744 verschiedene Berichte aus ungefähr zwölf Jahren, und die muss man nun interpretieren, die muss man auslegen. Die kann man auch übrigens mit Hilfe der beigelegten CD-Rom ziemlich leicht erschließen, indem man Stichworte eingibt usw. Professor Kulka und ich wollten der Forschung eine bessere Grundlage verschaffen, und auf dieser Grundlage müssen nun, sage ich mal, künftige Generationen von Historikern versuchen, ein besseres Bild von der Haltung der Bevölkerung in der Nazizeit zu gewinnen als es bisher da war.

    Schmitz: Das heißt, diese Berichte werden jetzt zum ersten Mal publiziert?

    Jäckel: Nicht alle. Ein ganz großer Teil war bisher unbekannt, zum Teil in den Archiven schon zugänglich. Wir haben aber auch ausdrücklich die schon veröffentlichten Berichte mit aufgenommen, damit ein Gesamtbestand entstehen konnte.

    Schmitz: Muss denn jetzt das Verhältnis der Deutschen, sage ich trotzdem mal, zum, im und mit dem NS-Staat grundsätzlich noch einmal sorgfältiger bedacht werden?

    Jäckel: Also das muss immer wieder sorgfältig bedacht werden, gerade wenn man bedenkt, welche Pauschalurteile in der Öffentlichkeit immer noch kursieren. Entweder das eine – das ist mehr bei den Älteren -, die haben nichts davon gewusst, oder das andere – das ist mehr bei den Jüngeren -, die haben doch alles genau gewusst. Jetzt kann man differenzierter, nuancierter an diese Frage herangehen.

    Schmitz: Das war der Historiker Eberhard Jäckel.

    http://www.dradio.de/dlf/sendungen/kulturheute/307810

  42. Antisemitismus heute - Wie judenfeindlich ist Deutschland? permalink
    29. Oktober 2013 12:44

    „Es gibt inzwischen No-Go-Areas für Juden“, sagt der Berliner Rabbiner Daniel Alter über seine Stadt. Das seien zum Beispiel Teile von Wedding und Neukölln mit einem hohen Anteil arabischer und türkischer Migranten. Er selbst ist vor einem Jahr von arabischen Jugendlichen auf offener Straße brutal angegriffen und verletzt worden.

    Am 9. November 2013 jährt sich die Reichspogromnacht zum 75. Mal: der unheilvolle Auftakt zum Massenmord an europäischen Juden. Wie sieht es heute aus mit der Judenfeindlichkeit in Deutschland? Um diese Frage zu beantworten, begeben sich drei Autoren auf eine Reise durch Deutschland. Sie beleuchten Hintergründe und Motivationen judenfeindlicher Gesinnungen in ganz unterschiedlichen Teilen der Gesellschaft.

    Ahmad Mansour erforscht die Verbreitung des muslimischen Antisemitismus. Mansour, arabischer Israeli, lebt seit neun Jahren in Deutschland. Mit seiner islamistischen Vergangenheit, die von vehementem Antisemitismus geprägt war, hat er lange abgeschlossen. In Gesprächen mit Jugendlichen heute stellt sich heraus, dass in vielen muslimischen Familien bis heute Judenhass vorgelebt wird – häufig gestützt von arabischen Fernsehsendern, die ihre antisemitischen Kampagnen weltweit verbreiten.

    Jo Goll, TV-Journalist und Experte für Rechtsextremismus, nimmt das rechtsnationale Lager in den Fokus. „Die Juden sind einfach an allem schuld“, tönt es aus diesen Kreisen. Goll spricht mit Aussteigern aus der rechten Szene und besucht ein koscheres Lokal in Chemnitz, dessen Besitzer von massiven Übergriffen berichtet.

    Das Gleiche gilt auch für die Jüdische Gemeinde in Dessau, deren Vorsitzender Alexander Wassermann ist: „Ich traue mich schon lange nicht mehr mit Kippa auf die Straße. Das ist in Dessau einfach zu gefährlich.“

    Dokumentarfilmerin Kirsten Esch will wissen, wie viel Antisemitismus in der „Mitte der Gesellschaft“ zu finden ist. Sie spricht mit Experten und mit Menschen auf der Straße und trifft unter anderem eine Linguistin, die über 100.000 E-Mails, Leserbriefe und Texte aus dem Internet mit antisemitischen Inhalten und anti-jüdischen Klischees untersucht hat.

    Professor Monika Schwarz-Friesel kommt zu dem erstaunlichen Ergebnis, dass die überwiegende Mehrheit der Verfasser keinem extremen Lager angehört, sondern in der „Mitte der Gesellschaft“ zu finden ist.

    Der Bielefelder Professor Andreas Zick, der sich selbst „Vorurteilsforscher“ nennt, warnt: „Antisemitismus, auch wenn er nur latent ist, bleibt immer Wegbereiter vom Wort zur Tat.“

    Nach Ansicht der Filmemacherin Kirsten Esch ist Israelkritik der neue Weg, über den sich Antisemitimus heute einen Weg bahnen kann. Die Mit-Autorin des Films „Antisemitismus heute – wie judenfeindlich ist Deutschland?“ sagte im „Deutschlandfunk“, nicht nur Rechtsextreme und Muslime, sondern auch die Mitte der Gesellschaft bediene sich entsprechender Klischees. Esch erklärte, vor allem nach Gewalteskalationen im Nahostkonflikt würden jüdische Organisationen in Deutschland mit E-Mails überschwemmt. Unter den Verfassern seien besonders viele Doktoren und Professoren. Diese zeigten aus Eschs Sicht ein obsessives Verhalten. Die Linguistin Monika Schwarz-Friesel habe 14.000 dieser E-Mail untersucht. Es fänden sich darin viele sehr alte Stereotype über die Juden.

  43. Sanierungsfall Auschwitz permalink
    3. November 2013 11:40

  44. Aghet - Völkermord der Türkei an Armenier permalink
    6. November 2013 19:53

    Nach unterschiedlichen Schätzungen kamen 1915/16 zwischen 200.000 und 1,5 Millionen Armenier im Osmanischen Reich ums Leben. Der Vorwurf des Genozids wird von der Türkei, die Rechtsnachfolgerin des Osmanischen Reichs ist, bestritten.

    http://www.zeit.de/politik/ausland/2011-12/frankreich-tuerkei-armenier

  45. Als das Morden begann - der Völkermord in Ruanda permalink
    6. November 2013 20:02

    Als das Massaker des Völkermords 1994 in Ruanda beginnt, wird der Offizier Augustin Muganza in der Haupstadt Kigali von seiner Familie getrennt. Er ist Hutu, doch seine Frau, eine Tutsi, und seine drei Kinder sind vor keiner Machete sicher. Ausgerechnet sein Bruder Honoré hetzt als Radioreporter die verfeindeten Gruppen auf.

  46. Mythos Odessa permalink
    15. November 2013 17:12

    Mythos Odessa

    „Odessa war eine verschwörerische Geheimorganisation der SS. Sie diente dazu, Kriegsverbrecher aus Deutschland herauszuschleusen und nach Südamerika zu bringen“, behauptet Nazi-Jäger Simon Wiesenthal.

    http://www.zdf.de/ZDFmediathek/hauptnavigation/startseite#/beitrag/video/1544044/Mythos-Odessa

  47. 17. November 2013 22:48

    The Act of Killing

    In einem Land, das Mörder als Helden feiert, wagt es Joshua Oppenheimer mit »The Act Of Killing«, sich dem Tabu und dem Terror zu stellen. Um die Geschichte des Genozids an über einer Million vermeintlicher Kommunisten in Indonesien nach dem Militärputsch 1965 zu erzählen – eine Geschichte, die die Opfer und ihre Nachfahren auch heute noch nicht zu erzählen wagen – entscheidet sich der junge amerikanische Regisseur für den einzig möglichen Weg: er spricht mit den Mördern. Stolz und frei von jeglicher Reue erzählen sie von den Morden und sind freudig bereit, ihre Taten nachzuspielen und sich selbst zu inszenieren. Das Filmprojekt bringt die Männer schließlich zum Reden und zum Nachdenken über ihre Taten, die sie bisher nie reflektiert haben. Die Inszenierung der Realität ist wirklicher geworden, als es die Taten für die Männer je waren.

    »The Act Of Killing« ist ein filmischer Fiebertraum, eine verstörende Reise in die Psyche der Mörder und das schockierend banale Regime von Korruption und Propaganda, in dem sie leben. Der Film konfrontiert uns auf nie dagewesene Weise mit der banalen Alltäglichkeit des Bösen und der kathartischen Macht des Kinos.

  48. Auschwitz - Uwe Boll - Film permalink
    30. November 2013 12:20

    Auschwitz – Uwe Boll – Film

    Der kontrovers diskutierte Dokumentationsfilm von Uwe Boll: Auschwitz.
    Vom Vernichtungslager Auschwitz sind heute nur noch Ruinen zu sehen. SS-Schergen haben das Lager zerstört als die russische Armee anrückte. Die Nazi-Kommandeure wussten ganz genau welch grausamer Anblick sich den Russen offenbart hätte. Über eine Million unschuldige Männer, Frauen & Kinder wurden in Auschwitz rücksichtslos ermordet. Ein industrialisierter, systematisierter Massenmord, der bis heute jede menschliche Vorstellungskraft sprengt.

  49. Die Befreiung der Lager permalink
    18. Dezember 2013 19:25

    Die Befreiung der Lager

    Häuserkampfe und „Werwolf“-Aktionen – auch gegen die eigene Bevölkerung: Der Vormarsch der amerikanischen Truppen im Frühjahr 1945 ist blutig. Die Befreiung der Lager zeigen das Grauen des NS-Reichs.

    http://www.zdf.de/ZDFmediathek/hauptnavigation/startseite#/beitrag/video/1890092/Die-Befreiung-der-Lager

  50. Dann bin ich ja ein Mörder - Die SS Soldaten permalink
    24. Januar 2014 23:28

    Dann bin ich ja ein Mörder – Die SS Soldaten

    Am 29. März 1945 erschießen drei SS-Männer im burgenländischen Ort Deutsch Schützen-Eisenberg knapp 60 ungarisch-jüdische Zwangsarbeiter. Das Verbrechen ist als „Massaker von Deutsch Schützen“ in die Geschichte eingegangen. Einer der mutmaßlichen Mörder ist SS-Unterscharführer Adolf Storms, der für die Tat nie zur Rechenschaft gezogen wurde. 63 Jahre danach hat der Politikwissenschaftler und Historiker Walter Manoschek den unbehelligt als Pensionist in Duisburg lebenden Adolf Storms (1919 — 2010) gefunden. Für seinen Dokumentarfilm, der schließlich den Titel „… dann bin ich ja ein Mörder“ bekommt, spricht Manoschek mit Storms, tatbeteiligten HJ-Führern und den Menschen, die das Massaker überlebten. Er rekonstruiert das Verbrechen und stellt Fragen nach dem Vergessen, dem Verdrängen und der Verantwortung. Dabei verfällt Manoschek nie in die Rolle des Verhörenden. Er bleibt Journalist, der aus seinen Interviewpartnern, vor allem aus Adolf Storms, hermeneutisch und präzise nach und nach die Wahrheit herausholt.

    siehe auch
    http://de.wikipedia.org/wiki/Massaker_von_Deutsch_Sch%C3%BCtzen

  51. Mengeles Erben ~ Menschenexperimente im Kalten Krieg permalink
    9. Februar 2014 20:47

    Mengeles Erben ~ Menschenexperimente im Kalten Krieg

    Die Erprobung von Giftstoffen für staatliche Mordaufträge und tödliche Experimente mit Lagerinsassen verbindet man mit dem systematischen Massenmord der Nazis. Josef Mengele ist der bekannteste Vertreter dieser „Wissenschaft ohne Gewissen“.

    Die Geschichte der Menschenversuche im Auftrag des Staates beginnt in den 20er Jahren im „Labor 12“ des sowjetischen Geheimdienstes. Dort wurden tödliche Gifte an „Volksfeinden“ erprobt. Die Existenz dieses Labors wurde nur durch einen Zufall Anfang der 90er Jahre bekannt, denn Russland hält die Akten über Menschenversuche bis heute geheim. Das „Labor 12“ allerdings gibt es unter anderem Namen bis heute.

    Nach den Massenmorden während des Zweiten Weltkrieges handelten einige der schlimmsten Kriegsverbrecher mit den Siegermächten Straffreiheit gegen Übergabe der Versuchsergebnisse aus. So arbeitete der japanische General Ishii Shiro, der für den Tod von über 300.000 Menschen verantwortlich war, nach dem Krieg für die USA. Dort waren Militär und Geheimdienste angetan von den Ergebnissen echter Menschenexperimente mit Pest, Anthrax und Tularämie, Unterkühlung, Unterdruck und neuartigen Bomben. Bislang konnten die Militärs nur auf Daten aus Tierversuchen zurückgreifen. Keiner der mindestens 10.000 Verbrecher von Ishiis Todesimperium wurde in den USA bestraft. Einige beendeten ihre wissenschaftlichen Karrieren als Manager großer japanischer Pharma- und Medizinunternehmen. Es störte die Sieger angesichts des Rüstungswettlaufes im Kalten Krieg nicht einmal, dass Ishiis Untergebene auch mit US-Kriegsgefangenen experimentiert hatten. „Mengeles Erben“ haben den Zweiten Weltkrieg überlebt, indem sie neuen Herren dienten. Sie waren weiter im Staatsauftrag aktiv. In Nordkorea gibt es nach Zeugenaussagen sogar bis in die Gegenwart Gaskammern, in denen Massenvernichtungsmittel an Häftlingen erprobt werden. In vielen ehemals kommunistischen Staaten verläuft die Aufarbeitung der finsteren Vergangenheit schleppend. Auch die ehemalige CSSR experimentierte mit Verhördrogen und Giften. Die Versuche und Ergebnisse sind bis heute geheim und werden vertuscht. Vielleicht, weil sich wie nach dem Zweiten Weltkrieg erneut interessierte Abnehmer für Spezialkenntnisse finden.

    Über einige der bisher kaum erforschten systematischen medizinischen Experimente an Menschen berichtet der Dokumentarfilm „Mengeles Erben“ weltweit zum ersten Mal im Fernsehen.

  52. Achim Trunk, Zweihundert Blutproben aus Auschwitz. Ein Forschungsvorhaben zwischen Anthropologie und Biochemie (1943–1945) permalink
    25. März 2014 18:31

    Achim Trunk, Zweihundert Blutproben aus Auschwitz. Ein Forschungsvorhaben
    zwischen Anthropologie und Biochemie (1943–1945)

    ALS PDF
    http://www.google.de/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=1&ved=0CDIQFjAA&url=http%3A%2F%2Fwww.menschenfolter.de%2FPDF%2FKaiser-Wilhelm-Gesellschaft-Nationalsozialismus.pdf&ei=2rExU-7LA8_FtAaEroDoDg&usg=AFQjCNGGgmr1ogiRtMss2qLA_mD4gphDcg&bvm=bv.63587204,d.Yms&cad=rja

    IMPRESSUM
    Ergebnisse. Vorabdrucke aus dem Forschungsprogramm
    „Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus“
    Herausgegeben von Carola Sachse im Auftrag der Präsidentenkommission
    der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e. V.
    Alle Rechte vorbehalten.
    Copyright © 2003 by Achim Trunk
    Redaktion: Christine Rüter
    Bezugsadresse:
    Forschungsprogramm „Geschichte der Kaiser-Wilhelm-
    Gesellschaft im Nationalsozialismus“
    Glinkastraße 5–7
    D-10117 Berlin
    Tel.: 0049–(0)30–2 26 67–154
    Fax: 0049–(0)30–2 26 67–333
    Email: kwg.ns@mpiwg-berlin.mpg.de
    Umschlaggestaltung:
    punkt 8, Berlin (mail@punkt8-berlin.de)

    INHALT
    Kurzfassung/Abstract 4
    I. Vorbemerkungen 5
    Worum es geht 5
    Die zentralen Dokumente 6
    II. Wurzeln 9
    Verschuer und sein Schüler Mengele 9
    Vom Gast zum Platzhalter Butenandts: Günther Hillmann 16
    Die Methode des Geheimrates Abderhalden 23
    III. Rekonstruktionen 29
    Rekonstruktion I: Rassenspezifische Tuberkulose-Anfälligkeit 29
    Widersprüche 33
    Rekonstruktion II: Serologische Rassendiagnose 37
    Die Suche nach dem antituberkulösen Prinzip 43
    IV. Nachwirkungen 48
    Das Ende der Abwehrfermente 48
    Butenandt als Förderer und Helfer 50
    40 Jahre danach 53
    V. Einordnung 54
    Welche Rekonstruktion? 54
    Das Projekt und sein Horizont 55
    Mengeles Forschung in Auschwitz 61
    Butenandts Verantwortlichkeit 67
    Quellen 74
    Literatur 75
    Index 85
    Autor 86

    KURZFASSUNG/ABSTRACT
    Der Chemie-Nobelpreisträger von 1939 und spätere MPG-Präsident Adolf Butenandt
    ist in den letzten Jahren in die Kritik geraten. Einer der weitreichendsten
    Vorwürfe, die gegen ihn erhoben werden, postuliert eine Beteiligung Butenandts
    an Menschenexperimenten, die der SS-Arzt Josef Mengele im Konzentrationslager
    Auschwitz durchführte.
    Hierbei geht es um ein Projekt, das der KWI-Anthropologe Otmar von Verschuer
    1943 aufnahm. Für dieses bezog Verschuer Blutproben von seinem Assistenten
    Mengele aus dem KZ Auschwitz. Als im Projekt methodische Probleme
    auftraten, half Butenandt Verschuer aus. Einer Rekonstruktion des Genetikers
    Benno Müller-Hill zufolge umfaßte das Forschungsvorhaben tödliche Menschenversuche:
    Mengele habe KZ-Gefangene gezielt mit Tuberkulose infiziert,
    um ihre rassisch bedingte Widerstandskraft gegen diese Krankheit zu beobachten.
    Diese Rekonstruktion steht jedoch im Widerspruch zu einigen Quellen. Daher
    wird hier eine alternative Rekonstruktion vorgeschlagen. Dieser zufolge stellte
    das Vorhaben einen großangelegten Versuch zur serologischen Rassendiagnose
    beim Menschen dar. Menschenversuche sind für dieses Projekt nicht plausibel.
    Es stand jedoch in einem eindeutigen rassenbiologischen Forschungs- und Anwendungskontext.
    Auch ohne verbrecherische Entgrenzung der Forschung stellte
    ein solches Projekt für Butenandt nach dem Krieg eine Belastung dar, die seine
    späteren Bemühungen erklärt, seine Beteiligung zu verschleiern.

  53. Der Anständige - Heinrich Himmler permalink
    9. Dezember 2014 00:06

    Der Anständige – Heinrich Himmler

    Am 23. Mai 1945, zwei Wochen nach der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands, beging der Reichsführer der SS, Heinrich Himmler, Selbstmord. Bis kurz vor Kriegsende war er als Reichinnenminister und Kommandant des Ersatzheeres nach Hitler der mächtigste Mann des Dritten Reichs.

    Einen seiner letzten Befehle hatte er an seine Sekretärin Erika Lorenz gerichtet. Himmler wies sie an, alle persönlichen Dokumente aus seinem privaten Safe im Haus der Familie im bayrischen Gmund am Tegernsee zu vernichten. Doch Erika Lorenz kam zu spät.

    Soldaten der 88. Division der US-Army hatten bereits am 6. Mai 1945 das Haus der Familie besetzt, die umfangreiche Bibliothek Himmler unter sich aufgeteilt und auch den Safe Himmlers geöffnet. Die darin befindlichen Dokumente übergaben sie aber nicht den zuständigen Militärbehörden.

    Die Spur der Briefe, Tagebücher, persönlichen Dokumente und Fotos – Himmlers „Sammlung“ – verlor sich. Erst jetzt, nach fast 70 Jahren, werden sie zum ersten Mal publiziert.

    Die in Antwerpen, Belgien, geborene und aufgewachsene Regisseurin Vanessa Lapa hat in fünfjähriger Arbeit eine 90-minütige Dokumentation geschaffen, die auf 276 Briefen von Heinrich Himmler an seine Frau Marga Himmler aus den Jahren 1927 bis 1945, außerdem auf 135 vornehmlich privaten Fotografien, dem persönlichen Tagebuch und dem Poesiealbum der Himmler-Tochter Gudrun (geboren 1929) sowie auf Tagebüchern von Marga und Heinrich Himmler und weiteren persönlichen Dokumenten der Familie basiert.

    Der Film „Der Anständige“ verzichtet auf Interviews, Dreharbeiten an Originalschauplätzen und Spielszenen. Das Drehbuch von Vanessa Lapa und Ori Weisbrod (Tel Aviv) beruht ausschließlich auf Äußerungen, die zu Himmlers Lebzeiten (1900 bis 1945) entstanden. Die chronologisch von der Geburt bis zur Selbsttötung Himmlers strukturierte Collage aus Tagebüchern, Briefen, sonstigen Dokumenten und Reden kommt ohne klassischen Erzähler aus. „Der Anständige“ erzählt von Weltgeschichte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, dem Nationalsozialismus und dem Holocaust aus der Sicht der Familie von Heinrich Himmler.

    Greift man auf diese Dokumente zurück, gibt es keinen Grund, die Ergebnisse bisheriger Holocaust-Forschung in Frage zu stellen. Sie verändern auch nicht die Sicht auf Himmlers Rolle im Holocaust. Das weiß Vanessa Lapa. Mit der Publikation der bisher unbekannten privaten Dokumente, muss – so die Regisseurin – „die Geschichte des Nationalsozialismus zwar nicht neu geschrieben, sie kann aber biografischer und damit anders erzählt werden.“

    Die Echtheit der Dokumente wurde bereits 1982 vom damaligen Präsident des Deutschen Bundesarchivs Dr. Josef Henke sowie 1997 vom Historiker und Himmler-Spezialisten Dr. Michael Wildt bestätigt.

    Obwohl die Produktion hauptsächlich eine israelische ist, ist ihre Sprache Deutsch. In der hebräischen und der internationalen Fassung werden die dreizehn Sprecherrollen untertitelt. Dank der intensiven Zusammenarbeit mit dem Österreichischen Rundfunk (ORF) konnten renommierte Schauspieler wie Tobias Moretti (Heinrich Himmler), Sophie Rois (Marga Himmler) und die Burgtheater-Schauspieler Pauline Knof und Florentin Groll gewonnen werden. Morettis Sohn Lenz und seine Tochter Antonia leihen dem jungen Himmler und Gudrun Himmler ihre Stimme.

  54. Nazis nach vorn: Das Heilige an Adolf Hitler permalink
    22. Februar 2015 16:53

    Befreiung – Blätter für anarchistische Weltanschauung, Jg. 18, Nr. 1, 1965
    „Nazis nach vorn: Das Heilige an Adolf Hitler“

  55. Rassenwahn und Weltherrschaft - Züchten und Vernichten permalink
    16. Juli 2015 22:43

    Rassenwahn und Weltherrschaft – Züchten und Vernichten

    Die Weltherrschaft der nordischen Rasse war das wichtigste Ziel der NS-Ideologie. Besessen davon, gründete Heinrich Himmler, Reichsführer-SS, den Verein „Lebensborn“. Gedacht als konspiratives Entbindungsheim für rassisch wertvolle ledige Mütter, wuchs der Plan für eine Zuchtanstalt heran.
    Rassismus in dieser Form gab es jedoch nicht nur in Deutschland. Die „Internationale der Rassisten“ formierte sich ab etwa 1850 als eine Art „Rassenbund europäischer Völker“ oder „blonder Internationalismus“. In ihren Reihen entstand die Eugenik, die „Rassenhygiene“. Aus ihr folgte die Sterilisation von Menschen, die als minderwertig betrachtet wurden. Die Opfer waren nicht nur „Erbkranke“, sondern auch Angehörige sozialer Randgruppen. Rassenspezialisten wirkten in der Schweiz, in den USA, in allen skandinavischen Staaten.

  56. Schöner neuer Mensch - Rassenhygiene als Staatsziel - USA permalink
    16. Juli 2015 22:57

    Schöner neuer Mensch- Rassenhygiene als Staatsziel – ARD – 13.07.2015

    Eugenik und Rassenhygiene gehörten zu den ideologischen Grundpfeilern nationalsozialistischer Bevölkerungspolitik. Sie führten im NS-Staat zu unsagbaren Verbrechen. Doch sie waren keine Erfindung der Nationalsozialisten. Zur Anwendung kamen als Eugenik bezeichnete Konzepte bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts in den Vereinigten Staaten – abgeschafft wurden sie dort erst 1981.

    Auch in anderen Ländern fanden Maßnahmen zur Verringerung und Verhinderung der Nachkommenschaft von als „minderwertig“ definierten Menschen und zur Einsparung von Sozialkosten Anhänger und Befürworter – und wurden in so unverdächtigen demokratischen Gesellschaften wie Kanada, der Schweiz oder Skandinavien massenhaft durchgeführt.

    Spurensuche in mehreren Ländern

    Lediglich die systematische Ermordung von Menschen aufgrund staatlicher Eugenik-Programme war grauenhafte nationalsozialistische Praxis im deutschen Reich. Erst 2007 wurde in der Bundesrepublik Deutschland ein entsprechendes Gesetz von 1933 abgeschafft.

    Opfer berichten

    Die Dokumentation rollt die Geschichte dieser „Wissenschaft“ und der offiziell verordneten Eugenik-Politik auf – als Spurensuche in mehreren Ländern. Sie lässt Historiker und Humanwissenschaftler zu Wort kommen – vor allem aber die Opfer: Menschen aus Deutschland, Schweden und den USA, die von der unglaublichen „Behandlung“ berichten, die ihnen widerfahren ist, oft gegen oder gar ohne ihr Wissen und meistens aufgrund höchst fragwürdiger „Diagnosen“ und Verfügungen. Es sind Menschen, die noch immer für die Anerkennung der Schäden kämpfen, die sie erlitten haben und deren Schilderungen zutiefst bewegen.

    Der Film berichtet ebenso von Praktiken in North Carolina wie in Schweden und natürlich in Deutschland unter nationalsozialistischer Herrschaft und danach. Es ist eine erschreckende Reise auf der Suche nach der „schönen neuen Welt“ des perfekten Menschen.

    Der Film weist nach, dass die praktische Umsetzung des Gedankens der Eugenik in amtlich verordnetes Handeln kein marginaler und historisch überholter Auswuchs unmenschlicher Naziideologie war, sondern in der westlichen Welt weit verbreitete, wissenschaftlich akzeptierte und befürwortete Praxis. Ihre Stütze fand sie in Universitäten, philanthropischen Organisationen sowie in Regierungen und politischen Parteien.

  57. FILMTIPP ~ „Son Of Saul“ ~ Auf der Jagd nach dem Kaddisch permalink
    8. April 2016 23:56

    Auf der Jagd nach dem Kaddisch

    „Son Of Saul“, Regie: László Nemes, Ungarn 2015

    Von Angelika Nguyen

    Oktober 1944. Vogelzwitschern, in der Unschärfe eine Wiese mit Menschen. Aus dem Nebel weicher Konturen nähert sich eine Gestalt der Kamera, bis sie nah in der Schärfe landet: Die Hauptfigur des Films, Saul Ausländer. Und schon endet das Vogelzwitschern und durchschneiden Schreie, Befehle auf Deutsch, Hundebellen die Luft. Saul, ungarischer Jude, arbeitet im „Sonderkommando“ des KZ und Vernichtungslagers Auschwitz. Sonderkommando, dieses unübersetzbare deutsche Wort, das heißt: neuankommende Transporte jüdischer Menschen aus ganz Europa der Todeszone zuzuführen, sie zu beruhigen, ihnen beim Entkleiden zu helfen, etwas vorzulügen, sie in die Gaskammer zu treiben, Kleider einsammeln, Warten hinter der Tür, bis die Schreie der Sterbenden verstummen, hinterher die Körper herauszuziehen, Blut und Fäkalien weg zu schrubben, Goldzähne einsammeln, die Leichen zu den Verbrennungsöfen zerren. Wir sehen vor allem Saul scharf, während die Umgebung, die Opfer; Frauen, Kinder, Männer, die anderen vom Sonderkommando – und die Täter in den grauen SS-Uniformen, in der Unschärfe des Bildhintergrunds bleiben. Das ist der Alltag von Saul. Seine Mimik ist eingefroren, keine Gefühle sichtbar, finsterer abgewandter Ausdruck. Gewohnte Handgriffe.
    Nach diesem furchtbaren Intro beginnt sogleich die Geschichte – mit der ersten Totengruppe in der Gaskammer werden wir Zeuge einer Zäsur in Sauls KZ-Dasein. Beim Ausräumen der Gaskammer entdeckt er, dass ein halbwüchsiger Junge noch atmet. Das Unglaubliche hat sich nach Zeugenaussagen tatsächlich ein paar Mal ereignet, ein Wunder. Saul alarmiert die anderen, und sie tragen den Jungen zu einer Bank. Der herbei gerufene SS-Arzt macht dem Wunder ein Ende, indem er den Jungen tötet und eine Autopsie anordnet.
    Da erwacht Saul aus der roboterhaften Routine und kümmert sich fortan um den toten Jungen. Er will ihn selbst in den Sektionsraum bringen – und den Häftling dort bitten, den Jungen nicht aufzuschneiden. „Mein Sohn.“ sagt Saul. „Du hast doch gar keinen Sohn.“ sagt jemand. „Doch“, sagt Saul. Fieberhaft erkundigt er sich, ob der Transport aus Ungarn kam, sucht nach Papieren. So erfindet Saul sich einen Sohn. Ein Kaddisch will er für ihn, ein letztes jüdisches Gebet und ein Begräbnis, keine Verbrennung. Das heißt, er will lauter Dinge für den Toten, die in Auschwitz nicht möglich sind. Dann sucht er einen Rabbi, der das Kaddisch sprechen soll, zeitweise sucht er ihn, als sei er nicht in Auschwitz und Zwangsarbeiter des Sonderkommandos, sondern in irgendeinem Schtetl im Frieden. Mit anderen Worten: Saul wird verrückt. Eine Blockade setzt bei ihm ein, eine Weigerung der Psyche. Von der Eskalation dieser Verweigerung erzählt der Rest des Films. Es ist überliefert, dass Häftlinge der Sonderkommandos Selbstmord begingen oder den Verstand verloren.
    Das greift der Film als Idee auf: seine verrückt gewordene Hauptfigur will das Unmögliche und jagt dem nach inmitten des Infernos von Gaskammern, Massenerschießungen, Massenverbrennungen. Mehr als einmal riskiert Saul, durch sein Verhalten erschossen zu werden, gefährdet er Mithäftlinge, schmuggelt sich in das Asche-Kommando, weil er dort einen Rabbi vermutet, einmal sogar in einen nächtlich ankommenden Transport von Todgeweihten, reagiert aufreizend langsam auf Befehle der SS-Männer, hält gegen Ende die Flucht der Aufständischen auf, weil er hartnäckig den toten Jungen mit sich herumschleppt. „Du hast die Lebenden für die Toten aufgegeben.“ kommentiert Abraham, ein Gefährte, schließlich tadelnd.

    Innerhalb des fiktionalen Holocaust-Genres ist dieser Film einzigartig. Er erzählt keine Überlebensgeschichte und vermeidet eine – zumindest herkömmliche – Erlösung und jegliche Erhabenheit irgendeines Gelingens. Diesem Helden misslingt einfach alles. Auch gute Gelegenheiten für einen pathetischen Augenblick mit dem Totengebet schlägt Regisseur Nemes glatt aus. Im Gegenteil: in einem beinahe komisch-verzweifelten Moment sitzen Saul und ein falscher Rabbi da mit dem Toten und können beide kein Kaddisch aufsagen.

    Besonders ist auch der konsequente visuelle Stil des Films. Die Kamera bleibt seit der ersten Szene die ganze Zeit dicht an Saul, geht mit seinen Bewegungen mit, erfasst von der Umgebung, mal scharf, mal unscharf, nur, was unmittelbar in der Nähe von Saul geschieht. Keine launige, wacklige Handkamera, sondern eine agil-erzählende Kamera, die die einzige Aufgabe hat, Saul im Blick zu behalten. Alles andere – die Morde, die SS-Leute, die Häftlinge, die nackten Menschen nachts an der Grube, das Feuer, die grauen feinen Ascheberge, die von Häftlingen in den Fluss geschaufelt werden müssen – bleibt Umgebung, Hintergrund und wird nie extra aufgenommen. Das Filmset ist ein riesiges szenisches Arrangement, in dem die Kamera sich mit Saul bewegt. Die konventionelle Schnitt-Technik von Total- zu Nahaufnahmen, Schuss – und Gegenschuss vermeidet der Film fast völlig. Das schafft einen ungeahnten Erzählsog, eine Art körperlicher Anwesenheit, eine Schmerzerfahrung, die man im Kino nicht sehr oft erlebt.
    Spannend ist, wie die Filmemacher diverse historisch überlieferte Fakten in die Erzählung einbeziehen. Dabei verschieben sie zuweilen tatsächliche Zeitpunkte und nehmen Ereignisse mit, die früher im Jahre 1944 stattfanden. Klar sind Zeitpunkt und Dauer der Handlung: Es handelt sich um den 6. und 7. Oktober 1944, denn der Aufstand des Sonderkommandos in Auschwitz fand am 7. Oktober statt. Diesen ordnet der Film konsequenterweise ebenfalls dem Einzelerleben der Hauptfigur unter – so beiläufig, ohne jede Action-Aufregung, ist wohl noch nie ein Ausbruch gezeigt worden.
    Die heimliche Aufnahme der berühmten 4 Fotos, die die Verbrennung von Leichenbergen und nackte Menschen auf dem Weg zur Gaskammer zeigen, inszeniert der Film, indem seine Hauptfigur Saul den Fotografen Alexis absichert, und auch das vom Frauenlager kommende Schießpulver darf Saul schmuggeln, allerdings fälscht Nemes – mit welcher Absicht auch immer – die historische Sachlage, indem er Saul in seinem Zustand das Päckchen verlieren lässt – wieder dieses Bekenntnis zum Anti-Helden. In Wirklichkeit kam es zur Sprengung des Krematoriums III/IV, im Film nicht. Auch den richtigen Namen und Rang des Leiters der vier Krematorien, SS-Oberscharführer Voss, übernimmt der Film, während Saul selbst eine Erfindung ist.

    Nicht zuletzt schöpft der Film seine Einzelheiten aus Berichten von überlebenden Sonderkommando-Häftlingen, wie Claude Lanzmann sie in „Shoah“ von Filip Müller im Interview erhält. Filip Müller musste, wie die restlichen wenigen überlebenden Sonderkommando-Häftlinge, in der Nachkriegszeit bis in die 1970iger um seinen Opfer-Status kämpfen. Sie wurden als privilegierte Mittäter diffamiert, wobei übersehen wurde, dass sie zu der Arbeit gezwungen wurden. Filip Müller sagt in „Shoah“: „Das Sonderkommando lebte in einer ganz extremen Situation: Vor unseren Augen sahen wir täglich, wie Tausende und Abertausende von unschuldigen Menschen in den Schornstein verschwinden.“
    Wie hält ein Mensch das aus, und wie hält er es nicht aus? Davon handelt „Son Of Saul“.

    Überhaupt erinnert manches an die Dokumentarfilme von Lanzmann – auch hier ist nicht das Lagerleben des KZ Auschwitz Hintergrundfolie, sondern einzig das, was andere Filme eher auslassen: das Moment der Vernichtung selbst – nicht als kaltes Unterhaltungs-Ausstattungs-Spektakel wie in deutschen TV-Produktionen, sondern als Beschreibung konkreter Bedingungen des Menschen.
    Irgendwann sehnt man sich nach einem poetischen Moment, der die Geschichte erklärt, wenn schon nicht nach einem guten Ende, das unmöglich ist. Und László Nemes schafft kurz vor Schluss diesen Moment in großer Stille, und Saul lächelt das einzige Mal.
    Der ungarische Schauspieler, Dichter und Absolvent einer Jeshiva, einer jüdischen Universität, Géza Röhrig spielt den Saul mit intensiver Energie und unergründlicher Traurigkeit.

    Zum Glück nicht synchronisiert, im ungarischen Original mit Untertiteln, läuft der mit der Goldenen Palme und dem Oscar ausgezeichnete Film in fünf Berliner Kinos. Immerhin.

    Foto: Wikipedia, Sonderkommando in Auschwitz-Birkenau, August 1944. The march to „showers“

    QUELLE: http://telegraph.cc/auf-der-jagd-nach-dem-kaddisch
    https://www.facebook.com/telegraph.cc

  58. Ist das ein Mensch? ~ Die Atempause ~ Lesung Erinnerungen Primo Levi permalink
    11. Juni 2016 00:13

    Ist das ein Mensch? ~ Die Atempause ~ Lesung Erinnerungen Primo Levi

  59. Bis zur letzten auschwitzer Goldplombe ~ Hitlers schweizer Geldwäscher permalink
    14. Juli 2016 00:24

    Bis zur letzten auschwitzer Goldplombe ~ Hitlers schweizer Geldwäscher

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