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Jaroslav Hasek und die „Partei des mäßigen Fortschritts in den Grenzen der Gesetze“

3. Januar 2013
Kandidat

Jaroslav Hašek, der Kandidat

Vorbemerkung

Jaroslav Hašek ist nicht nur der ‚Vater‘ des braven Soldaten Schwejk, er war schon im Prag vor dem Ersten Weltkrieg ein umtriebiger anarchistischer Spaßguerillero, der das wohlsituierte Bürgertum ebenso wie die Berufspolitiker gekonnt an der Nase herumführte. Ein besonderes Kabinettstückchen ist die »Partei des mäßigen Fortschritts in den Grenzen der Gesetze«, für die Hašek Kandidat und Hauptredner war. Ihre Geschichte erzählt der Hašek-Biograph Gustav Janouch.

Was Hašek mit seinen Reden den Politikern antat, die sich auf den Veranstaltungen der Partei sehen ließen (sehen lassen mußten!), läßt sich bei der Lektüre des zweiten hier veröffentlichten Textes erahnen: Jaroslav Hašek, der größte tschechische Schriftsteller, der 1912 entstand.

Jaroslav Hašek starb vor 90 Jahren, am 3. Januar 1923.

Jonnie Schlichting

I. Zur Geschichte der »Partei des mäßigen Fortschritts in den Grenzen der Gesetze«

Von Gustav Janouch[1]

Kandidat_(von Josef_Lada)

Der Kandidat (Zeichnung von von Josef Lada)

Heřman Tausik[2], eines der ältesten Mitglieder der tschechischen Arbeiterbewegung, welcher schon vor dem ersten Weltkrieg verschiedene wichtige Funktionen in der tschechischen Sozialdemokratie bekleidete, erzählte mir: »Hašek war ein Rebell gegen jede Art geistiger und materieller Knechtung. Darum war er gegen die Monarchie, aber auch gegen den tschechischen sozialdemokratischen[3] und national-sozialistischen[4] Parteiapparat. Für Hašek waren beide Arbeiterparteien lediglich verschiedene phrasendreschende Presse- und Organisationsunternehmungen einer einzigen parasitären Schicht politischer Gewerbetreibender. Er nahm ihre Programme nicht ernst. Er sagte mir einmal: „Mäuse fängt man mit Speck und Menschen mit Zeitungen. Die Herren Volksvertreter sind alle Strauchdiebe.” (Tausik gebrauchte das tschechische Wort rošfáci). – Hašek lieferte dem Právo lido und dem Ceské Slovo[5], zwei scharf einander bekämpfenden Tagesblättern, gleichzeitig unter verschiedenen Namen seine Beiträge.«

Wegen dieser Mitarbeit an verschiedenen, ideologisch scharf gegeneinander stehenden Zeitungen wurde Hašek oft der politischen Charakterlosigkeit bezichtigt. Doch dieser Vorwurf war ganz und gar unbegründet. Hašek war nicht politisch charakterlos, sondern – ganz im Gegenteil! – ein politisch scharf profilierter Mensch, der sich auf Grund seiner Erfahrungen von dem Herden- und Leithammelsystem der bestehenden Wahlorganisationen scharf abgrenzte. Seine Geschichten waren kein belletristischer Absud billiger Parteiphrasen, sondern eine schriftliche Konservierung der augenfälligsten Alltagserfahrungen.

Hašek war ein fanatischer Freiheitsfreund, der mit Wahrheitsverdrehern der damaligen Zeit weder als fügsames Schaf noch als eingebildeter Leithammel zusammengehen konnte. Er stand ihnen innerlich fern. Darum verminderwertigte er auch die äußere Abhängigkeit an ihnen wo und wie er nur konnte. Er wischte ihnen die Schminke falscher Würde rücksichtslos von ihrem verlogenen Krämergesicht. Nicht nur im Schwejk, sondern schon längst zuvor, im Frühling 1911, durch die Gründung der »Partei des mäßigen Fortschrittes in den Grenzen der Gesetze«[6].

Das war die Hašek-Partei, bei deren Entstehen – so wie bei jeder anderen Parteigründung – vor allem wirtschaftliche Interessen mitwirkten. Die Partei kämpfte jedoch nicht um große Macht- und Vermögenswerte, sondern nur um die Erhöhung des Umsatzes im Gasthaus »Kravin«[7] des Herrn Zvěrina auf den Königlichen Weinbergen. Deshalb wurde die neue Partei gegründet.

Kravín_Vinohrady_1890

Die Parteizentrale: Gasthaus Kravín

In den Fenstern der Gastwirtschaft erschienen handgemalte Plakate, welche die Geburt der neuen Partei ankündigten. Außerdem wurden in den Weinberger Straßen Handzettel mit folgendem Text verteilt:

»Wähler, erhebt euere Stimme zum Protest gegen die Schrecknisse des Erdbebens in Mexico und wählt Jaroslav Hašek, den Kandidaten der Partei des mäßigen Fortschritts in den Grenzen der Gesetze. Kommt in Zvěrinas Restauration! Ein sittlich einwandfreier Knabe wird zur Erlernung der Verleumdung der Gegenkandidaten sofort in die Lehre aufgenommen.«

Die erste Versammlung begann – wie übrigens alle Veranstaltungen der neuen Partei – mit dem Absingen einer neugeschaffenen Hymne, die ein altes Anarchistenlied parodierte. Sie lautete in deutscher Übersetzung:

’ne Million von Kandidaten

Führt jetzt die Wähler hinters Licht.

Sie möchten ernten Stimmensaaten

Mit mildem Wohltätergesicht.

Sie wollen umstürzlerisch wüten,

Umdrehen der Entwicklung Rad.

Den mäßigen Fortschritt wir hüten,

Herr Hašek ist sein Kandidat.

 

Drum Bürger aller Städte

Eilt her in die Gaststätte.

Fern bleibe nur wer Läuse hat!

Hinweg mit dummen Pleiterittern,

Die überall den Fortschritt wittern.

Vorwärts –

für den –

Fortschritt –

entsprechend den Sitten![8]

Parteivorstand_(2_v_r_Hasek)

Der Parteivorstand (2. von rechts: Hašek)

Die neue Parteihymne wurde mit lautem Beifall aufgenommen. Der wurde dann im Verlauf des Abends noch stärker. Die erste Veranstaltung der »Partei des mäßigen Fortschritts in den Grenzen der Gesetze« war – so wie die rasch nachfolgenden Versammlungen – eine Sensation, deren Anziehungskraft von Tag zu Tag größer wurde[9]. Ganz Prag sprach von der neuen Partei und ihrem frechen Kandidaten Jaroslav Hašek, der alle bestehenden politischen Größen und Konventionen einem vernichtenden Gelächter aussetzte. Die Leute drängten sich zu seinen Vorträgen: Herr Zvěrina mußte zwei Aushilfskellner aufnehmen und eine Partie älterer Stühle kaufen. Das vor kurzem noch unbekannte Gasthaus wurde plötzlich eine lokale Sehenswürdigkeit. Jeder wollte eine Sitzung der neuen Partei miterleben. In Zvěrinas Gaststätte drängten sich Angestellte, Handwerker, Beamte, Gewerbetreibende. Der Andrang mobilisierte die Presse. Es kamen Reporter und nach ihnen – zuerst vereinzelt und dann in ganzen Gruppen – die renommierten Partei- und Berufspolitiker. Sie wollten sich die Dressur und Zähmung ihrer politischen Phrasen selbst anhören und dem Phrasenbändiger mit der Waffe ihrer Ideologien selbst entgegentreten. Doch dazu kam es nie. Der Spötter mit dem runden Kindergesicht ließ sich nie fassen und dann – er hatte die ganze lachsüchtige Versammlung auf seiner Seite. Das war eine Macht, gegen welche die Herrschaften mit ihren ernsten Argumenten nicht aufkommen könnten. Im Gegenteil: ihr Gegner hätte dadurch nur ein neues Zepflückungsmaterial bekommen. Es blieb ihnen also nur der passive Rückzug hinter ein schiefes Lächeln vorbehalten. Und nicht einmal das! Sie mußten mit den anderen laut mitlachen, um zu verbergen, wie Hašek sie getroffen hatte.

praesidium

Das Präsidium tagt vor dem Porträt des Kandidaten

Seine Improvisationen waren ein Feuerwerk, dabei aber technisch wohldurchdacht und genau ausgewogen. Er war ein Wort-Jongleur, ein Gaukler. Die Versammlungsteilnehmer lachten und die Berufspolitiker schwiegen betreten. In Zvěrinas Gasthaus brodelte es wie in einem siedenden Suppentopf. Doch durch die Witzbrühe, die hier Hašek kochte, wurde keine der damals auftretenden tschechischen politischen Parteien verbrüht. Hašek wurde nur von seinen allernächsten Kumpanen und dem glücklich sanierten Gastwirt Zvěrina gewählt[10]. Die »Partei des mäßigen Fortschritts in den Grenzen der Gesetze« lebte jedoch weiter. Sie wurde erst Jahre später auf der Sophieninsel unter dem Vorsitz des damals populären anarchistischen Dichters und Reporters Michal Mareš aufgelöst. Die Hašek-Partei versank im Papiergrab alter Polizei- und Zeitungsberichte, doch ihr Geist ist unsterblich. Er kam wieder und wandert noch heute als der ehemalige Hundehändler und brave Soldat Josef Schwejk durch die ganze Welt.

II. Jaroslav Hašek, der größte tschechische Schriftsteller

von Jaroslav Hašek[11]

Da ich schon einige Male meine Person erwähnte, als ich über die Geschichte der »Partei des mäßigen Fortschritts in den Grenzen der Gesetze« schrieb, halte ich es für angebracht, meine Bescheidenheit, die nicht am Platze ist, abzulegen und mich unparteiisch und würdig vor der gesamten Öffentlichkeit zu kritisieren.

Als Führer der »Partei des mäßigen Fortschritts in den Grenzen der Gesetze« sehe im mich genötigt, meine Handlungen und meine Taten kurz und äußerst objektiv einzuschätzen, auf daß niemandem ein einziger Punkt meines herrlichen Charakters entgehe.

Es gibt wirklich Momente in meinem Leben, in denen ich zu mir selbst ganz leise sage, durch irgendeine meiner Taten begeistert: »Mein Gott, was bin ich für eine Kanone.«

Was nützt mir das aber, wenn es die Welt nicht weiß. Sie muß es erfahren, die Menschheit muß mich gebührend schätzenlernen, und zwar nicht nur meine große Begabung und meine riesigen Fähigkeiten, sondern hauptsächlich mein fabelhaftes Talent und meinen unvergleichlich lauteren Charakter. Jemand könnte einwenden, warum ich mir diesen Lobgesang nicht von jemand anderem, einem Befugteren, schreiben lasse, warum ich meine Bescheidenheit so sehr vergewaltige und mich selbst lobe.

Ich antworte: Weil ich mich selbst am besten kenne und über mich selbst bestimmt nichts schreibe, was der Wahrheit nicht entspricht, weil es lächerlich wäre, über mich selbst zu berichten und zu übertreiben.

Ich benutze deshalb die bescheidensten Ausdrücke, sooft ich mich loben muß. Ich beharre entschieden auf dem Standpunkt, daß Bescheidenheit den Mann schmückt, aber ein richtiger Mann soll sich nicht schmücken, und deshalb dürfen wir nicht zu bescheiden sein. Legen wir endlich jene Sentimentalität ab, derentwegen man uns »das Volk der Tauben« nannte, und seien wir Männer! Schämen wir uns nicht, uns öffentlich zu unseren Tugenden zu bekennen! Wie schön ist es, wenn ich kühn sagen kann: »Meine Herrschaften, ich bin ein Genie«, wo ein anderer in falscher Bescheidenheit sagen würde: »Herrschaften, ich bin ein Rindvieh.«

Ein vernünftiger Mensch drängt sich ganz schlau in den Vordergrund und läßt sich selbst hochleben. Ein bescheidenes Veilchen hingegen sitzt auf dem Lokus, während sich sein glücklicher Kollege, der sich richtig einzuschätzen weiß, auch im öffentlichen Leben zu bewähren versteht. Die Ziererei ist dabei die schlechteste Seite des menschlichen Charakters. Sie ist ein Betrug, um den der Schleier der Bescheidenheit gehüllt ist. Deshalb wäre es eine Schande, wenn gerade ich, ein Mann, der sich solche Verdienste um die ganze tschechische Literatur, die Politik und das öffentliche Leben erworben hat, die Sünde an dem tschechischen Volke beginge, es in Unwissenheit darüber weiterleben zu lassen, ob ich ein genialer Mensch bin oder nicht.

Und deshalb sage ich ganz schlicht: In der Geschichte der Menschheit gibt es nur ein einziges allseitig entwickeltes Individuum, und das bin ich. Man nehme zum Beispiel nur irgendeine von meinen außerordentlich gediegenen Erzählungen, und was sieht man, wenn man aufmerksam eine Seite nach der anderen liest? Daß jeder Satz seinen tiefen Sinn hat, jedes Wort an der richtigen Stelle steht und alles mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Wenn ich eine Landschaft beschreibe, so liegt sie vor uns, wie fotografiert, und die Personen, die ich in der entzückend verflochtenen Handlung auftreten lasse, erstehen wie lebendig vor unseren Augen. Dabei ist die Sprache meiner literarischen Arbeiten das lauterste Tschechisch, das in seiner Reinheit auch das Tschechisch der Kralitzer Bibel[12] noch übertrifft. Es ist wahrer Genuß, auch nur eine einzige Zeile aus meinen Arbeiten zu lesen. Wenn man dies tut, spürt man, welch ein Zauber die Seele erfüllt, wie man auftaut, wie man selig lächelt, das Buch gar nicht weglegen kann und es stets bei sich trägt. Ich war des öfteren Zeuge, wie Leute mit Verachtung eine Zeitschrift weglegten, weil nichts von mir darin war. Ja, auch ich habe das oft getan – denn auch ich gehöre zu meinen Verehrern und verheimliche dies keineswegs. Jede meiner gedruckten Arbeiten lasse im mir von meiner Gemahlin Jarmila, der reizendsten und intelligentesten Frau der Welt, vorlesen, und bei keinem einzigen Satz vermag ich Rufe der verdienten Bewunderung zu unterdrücken: »Wie herrlich – wie schön! Welch ein Kopf, dieser Herr Jaroslav Hašek!« –

Das bemerke ich selbstverständlich nur nebenbei, denn dies ist gerade ein vorzügliches Dokument darüber, welche Begeisterung meine literarischen Arbeiten in Leserkreisen hervorrufen. Ich bin überzeugt, daß Tausende und aber Tausende von Lesern genauso empfinden, und ihre Begeisterung ist mir eben deshalb so teuer, weil sie dem Herzen einer sehr intelligenten Menschenmasse entspringt, für die ich stets der berühmteste Schriftsteller der Welt bleiben werde.

Als lebendiger Beweis strafe ich die gewissenlosen Kritiker Lügen, die das infame Gerücht verbreiten, daß es bei uns keinen Schriftsteller von Weltformat gebe.

Ich will nun noch ganz knapp meinen Charakter einschätzen. Ein Mensch, der so schön wie ich schreibt, muß auch eine schöne Seele haben. Und bei den nächsten Reichstagswahlen wird sich mir sicherlich genügend Gelegenheit bieten, nach einstimmiger Wahl in einem oder mehreren Bezirken das österreichische Parlament von der Schande zu befreien, daß dort bisher nicht der edelmütigste Mensch der österreichisch-ungarischen Monarchie tagte.

Ich brauche nicht zu erläutern, daß ich mich mit diesem edelmütigen Menschen selbst meine. Zum Schluß erkläre ich ausdrücklich, daß auch das, was ich hier geschrieben habe, eine jener großen, edlen Taten ist; denn was gibt es Schöneres, als jemanden ganz selbstlos auf den Gipfel des Ruhmes emporzuheben! Mit diesem Kapitel öffne ich auch vielen die Augen, die vielleicht in diesem Buche – in dieser großen Geschichte – ein Pamphlet oder eine Sammlung verächtlicher Kritik an manchen öffentlich tätigen Persönlichkeiten suchen. Sollten diese Zeilen ein Pamphlet sein, dann weiß ich bei Gott nicht, was ein Pamphlet ist!

Anmerkungen

[1] aus: Gustav Janouch, Jaroslav Hašek. Der Vater den braven Soldaten Schwejk, Bern und München 1966 (Francke), S. 106 – 109; einige Anmerkungen habe ich gekürzt. Ergänzungen und erläuternde Noten sind mit (J.S.) gekennzeichnet. Der Text erschien schon einmal, in der »direkten aktion« Nr. 85/Jan.-Feb. 1991.

Gustav Janouch (1903 – 1968), tschechischer Autor und Komponist; sein bekanntestes Werk ist »Gespräche mit Kafka« (zuletzt Düsseldorf 2008, onomato Verlag); während der Nazi-Okkupation 1939 – 1945 im Widerstand. Seine überaus lesenswerte Hašek-Biographie ist leider nur noch gelegentlich antiquarisch erhältlich.

Hašeks Texte zur Partei liegen auf deutsch vor: Jaroslav Hašek: Die Partei des maßvollen Fortschritts in den Grenzen der Gesetze. Frankfurt a.M. 1971 (Suhrkamp) (2. Aufl. 1990); Neuübersetzung als Geschichte der Partei des gemäßigten Fortschritts im Rahmen der Gesetze. Berlin 2005 (Parthas Verlag) – wie man sieht, variiert der Name der »Partei« in den deutschen Veröffentlichungen, je nach Übersetzung, etwas. (J.S.)

[2] Heřman Tausik war ein ausgesprochenes Prager Original, das in ständiger Opposition zu allen Regierungsformen stand. Er ließ einen Band satirisch gefärbter Erinnerungen zurück. [Tausik (auch Taussig) wurde 1878 oder 1879 geboren; er starb 1961; vor dem 1. Weltkrieg Mitglied der ČSSD (s. Anm. [3]), 1921 Mitbegründer der Kommunistischen Partei (KSČ) und in führender Position tätig. 1925 als ‚Rechter‘ aus der Partei gedrängt. Von 1920 – 1929 Abgeordneter der tschechoslowakischen Nationalversammlung und des Parlaments. Während der Nazi-Okkupation von 1939 – 1945 in den KZ Buchenwald und Dachau inhaftiert. (J.S.)]

[3] Tschechoslowakische Sozialdemokratische Partei (Českoslovanské strany sociálně demokratické – ČSSD), gegründet 1878. (J.S.)

[4] gemeint ist die Tschechische National-Soziale Partei (Česká strana národně sociální – ČSNS), 1897 nationalistische Abspaltung von der ČSSD; sie stellte in Abgrenzung zum Internationalismus der ČSSD ein populistisches Programm der ’nationalen und sozialen Befreiung der tschechischen Arbeiter‘ auf und pflegten eine rabiate antijüdische und antideutsche Rethorik. Sie hatte unter Facharbeitern und Handwerkern Einfluß. (J.S.)

[5] Právo lidu (Volksrecht), Tageszeitung und Zentralorgan der ČSSD, gegründet 1893, erschien seit 1897 in Prag; České slovo (Böhmisches Wort), Tageszeitung, erschien seit 1907 in Prag, vertrat die Positionen der ČSNS. (J.S.)

[6] Tschechisch: Strana mírného pokroku v mezích zákona. – Über diese sonderbare, in der ganzen Welt wohl einzigartigen Partei schreibt auch Max Brod in seiner interessanten Autobiographie Streitbares Leben (München 1960), doch ist ihm dabei ein sinnstörender, mir ganz unverständlicher Fehler unterlaufen. Brod nennt Hašeks Organisation die »Partei des gemäßigten Rückschrittes im Rahmen der Gesetze«, obwohl in dem Parteinamen ausdrücklich die Bezeichnung »Fortschritt« (pokrok) verwendet wurde.

[7] Kravín bedeutet Kuhstall. Das Gasthaus, welches noch heute (1961) als Nachtlokal besteht, entstand an der Stelle des Kuhstalles eines Weinbaugehöftes aus dem Jahre 1418.

[8] Das Lied ist auch in der deutschen Arbeiterbewegung (Millionen straff gespannter Arme) bekannt.

[9] Die Beschreibung der ersten Versammlung der Hašek-Partei wurde nach den schriftlichen Angaben von F. Langer und J. Mach sowie den mündlichen Angaben von Sauer und Menger, mit dem mich 1947 der Verleger Koliandr bekannt machte, rekonstruiert. F. Langer, dessen Bühnenwerke Peripherie und Ein Kamel geht durch das Nadelöhr auch in Deutschland bekannt wurden, beteiligte sich an der Gründung der Hašek-Partei, deren Entstehen und Wirken er mit dem Dichter, Übersetzer und Diplomaten Mach im Jahre 1925 in 17 Heften der Prager Illustrierten Pestrý týden (deutsch: Bunte Woche) darstellte. – Ich habe den Kirchendiener, Herrn Halásek, im Jahre 1934 als alten, asthmatischen Mann bei A. Wurm kennengelernt. Er berichtete mir über die Hašek-Partei wie über die heroische Zeit seines Lebens.

[10] Hašek hatte die Kandidatur nicht registrieren lassen. (J.S.)

[11] aus: Jaroslav Hašek, Meine Beichte (aus dem Tschechischen herausgegeben und übertragen von Rudolf Toman), Leipzig ²1974 (Phillipp Reclam jun.), S. 183 – 186. (J.S.)

[12] Kralitzer Bibel: prachtvolle Bibelausgabe in sechs Bänden aus den Urtexten übersetzt und in den Jahren 1579 bis 1593 in Kralice von den Böhmischen Brüdern herausgegeben. (Bis heute beste tschechische Übersetzung der Bibel.)

6 Kommentare leave one →
  1. Was für/auf die Ohren permalink
    3. Januar 2013 09:51

    Siehe auch die tolle Radio/Podcast Sendung von Radio Chiflado
    Absolut hörenswert!
    > http://taibo.podspot.de/post/nach-kafka/
    http://taibo.podspot.de/?page=14
    Nach Kafka
    „verbring nicht die zeit mit der suche nach einem hindernis, vielleicht ist keins da “ (Franz Kafka)

  2. olga wichmann permalink
    3. Januar 2013 09:59

    [audio src="http://taibo.podspot.de/files/Nach+Kafka.mp3" /]

    Kafka war mit Hasek befreundet, kannte ihn von den anarchistischen Versammlungen und war mit grossem Engagment bei der Gründung der o.a. „Partei“ dabei — hier ein kurzer Eindruck aus einem Radiobeitrag – ab 6:02

  3. Adporno permalink
    3. Januar 2013 17:32

    Ich hab gehört, dass ein gewisser H. M. Becker jetzt auf Kafka und Hasek die Rechte hat.
    Das ist ganz verrückt, er soll auch Henning Mankell und Stephen King aufgekauft haben…
    Weiß da jmd was drüber?

  4. Heldenkanzler Dollfuß permalink
    27. Mai 2013 22:42

    Heldenkanzler Dollfuß

    Leben und Sterben eines österreichischen Möchtegern-Diktators: Der mehrfach prämierte Animationsfilm erzählt die Geschichte des Engelbert Dollfuß – witzig und beklemmend zugleich.

    Wien 1933 – Parlament. Viele Abgeordnete reden durcheinander. Ein winziger Mann stemmt sich auf das Rednerpult. Es ist Engelbert Dollfuß. Die anderen Parlamentarier machen sich lautstark über ihn lustig. Eine Schlägerei bricht im Parlament aus. Der kleine Mann entflieht dem aufgewühlten Parlament und flüchtet sich ins nächste Kino, wo er eine Wochenschau ansieht, in der die großartige Idee des europäischen Faschismus, wie in einem Werbefilm beworben wird: Dollfuß ist begeistert.

    Heldenkanzler basiert auf der wahren Geschichte von Engelbert Dollfuss, der im Wien der 1930er Jahre seine faschistische Diktator etablieren wollte.

    Den Figuren des 13-minütigen Kuzrfilms leihten der berühmte österreichische Schauspieler Erwin Leder, Philipp Hochhauser und Benjamin Swiczinsky ihre Stimme.

  5. Franz Kafka ~ In der Strafkolonie permalink
    10. Januar 2015 01:52

    Franz Kafka ~ In der Strafkolonie

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