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„Zündstoff der schwarzen Flamme“ – ein imposanter Beitrag zu Theorie und Geschichte des Syndikalismus

27. Februar 2010

Den folgenden Artikel von Gabriel Kuhn zur Buchveröffentlichung Black Flame entnehmen wir der Januar/Februar-Ausgabe der Direkten Aktion.

Black Flame ist der erste Band eines ausgesprochen ambitionierten Projekts namens „Counter-Power“: Lucien van der Walt und Michael Schmidt versuchen darin gleichzeitig, zu einem „klaren Verständnis“ des Anarchismus zu gelangen [43] und eine umfassende Geschichte dessen zu schreiben, was sie die „breite anarchistische Tradition“ nennen [6]. Genauer: „Was wir in diesen zwei Bänden tun wollen, ist, … Geschichte und Analyse miteinander zu verbinden, um die Politik der breiten anarchistischen Tradition zu studieren, die Leben, Kämpfe und Bewegungen von AnarchistInnen und SyndikalistInnen darzustellen sowie die historische Bedeutung der breiten anarchistischen Tradition aufzuzeigen“ [9]. Der Syndikalismus wird von den Autoren als der „seit jeher wichtigste Zweig“ des Anarchismus bezeichnet [7].

Anarchismus und Klassenkampf

Was die Definition des Anarchismus betrifft, so bedarf es den Autoren zufolge eines „neuen Zugangs“ [41], der „einigen herkömmlichen Definitionen widerspricht“ [19]. Für van der Walt und Schmidt ist Anarchismus ausschließlich das, was im deutschen Sprachraum allgemein als Sozialanarchismus bekannt ist: ein Anarchismus, der sich auf die ökonomischen Widersprüche der kapitalistischen Gesellschaft konzentriert, die Klassenfrage in den Mittelpunkt stellt und sich klar zu einer sozialistischen Tradition bekennt. Van der Walt und Schmidt machen deutlich: „Wenn wir Spezifikationen wie ‚Klassenkampf‘ oder ‚sozial‘ dem Wort Anarchismus hinzufügen, dann würde das implizieren, dass es AnarchistInnen gäbe, die dem Klassenkampf keine besondere Aufmerksamkeit zukommen lassen oder individualistisch sind. Dies wäre jedoch keine korrekte Verwendung des Begriffs ‚Anarchismus‘ “ [71]. Als Folge dieser Haltung werden eine Reihe von Denkern, die häufig als anarchistische Größen gelten, aus der anarchistischen Geschichtsschreibung ausgeklammert: Godwin ebenso wie Proudhon, Stirner ebenso wie Tolstoj.

Auch Gedanken an einen „alten“ oder „ewigen“ Anarchismus scheinen den Autoren des Buches verschwendet. Der Anarchismus sei eine „moderne“ Bewegung, die in den 1860er Jahren „mit Bakunin, der [Ersten] Internationalen und der Allianz [der sozialistischen Demokratie]“ [44] beginne. „Wir weisen die Vorstellung zurück, dass die menschliche Geschichte immer wieder anarchistische Strömungen kannte. Die anarchistische Bewegung entstand erst in den 1860er Jahren als ein Flügel der modernen sozialistischen Arbeiterbewegung … Die Schlüsselfiguren bei der Bestimmung des Anarchismus und Syndikalismus waren Michael Bakunin und Peter Kropotkin“ [9]. Die einzige gröbere Unterscheidung, die von den Autoren zugelassen wird, bezieht sich auf die „strategische“ Differenz zwischen einem „Massenanarchismus“, der „betont, dass nur Massenbewegungen eine revolutionäre gesellschaftliche Änderung schaffen können“ [20], und einem „aufständischen Anarchismus“, der „die bewaffnete Aktion … als wichtigstes Mittel erachtet“ (ebd.).

Der Ansatz der Autoren wird jene, die ihre Arbeit bisher verfolgt haben, nicht überraschen. Beide stehen der südafrikanischen Zabalaza Anarchist Communist Front (ehemals Federation) (www.zabalaza.net) nahe, die sich auf jene „plattformistischen“ Prinzipien gründet, die 1926 von Nestor Machno und Genossen im Pariser Exil formuliert wurden: die Forderung nach einer anarchistischen Organisation, die sich einem gemeinsamen Programm verpflichtet, eine gewisse Avantgarderolle nicht zurückweist (die Autoren sprechen gar von „libertarian leadership“ [261]) und den Klassenkampf im Zentrum revolutionärer Aktivität sieht.

Anarchismus und Syndikalismus

Mit seinen über 400 Seiten ist Black Flame eine beeindruckende Studie zur internationalen Geschichte des (Sozial)Anarchismus und eine Auseinandersetzung mit dessen Kernfragen wie Organisierung, Strategie und Taktik. Das Buch beinhaltet eine Reihe spannender, theoretischer Aspekte, etwa die Zurückweisung eines Konflikts zwischen Anarcho-Syndikalismus und Anarcho-Kommunismus, die bereits angedeutete, enge Verwobenheit von Syndikalismus und Anarchismus (die die Autoren dazu führt, auch selbsterklärte Marxisten wie Daniel De Leon oder James Connolly der „breiten anarchistischen Tradition“ zuzurechnen) oder die Ablehnung der These, dass der Anarchismus „in Spanien eine Massenbewegung wurde wie sonst nirgends“ – eine solche „spanische Besonderheit“ gibt es für van der Walt und Schmidt nicht [15].

Was Umfang und Reichweite des gesammelten Materials betrifft, muss das Buch bereits jetzt als Standardwerk gelten und es wird zweifelsohne eine bleibende Rolle im Kanon anarchistischer Geschichtsschreibung einnehmen. Das völlig zu Recht. Die internationale Dimension der Materialiensammlung – eingeschränkt einzig durch die limitierte Aufnahme nicht-englischsprachiger Literatur – ist einzigartig und höchstens mit dem Nachlass Max Nettlaus zu vergleichen, allerdings mit zwei wesentlichen Unterschieden: van der Walt und Schmidt konnten weit mehr Information zu Lateinamerika, Asien und Afrika sammeln, und sie hatten die Zeit, ihre Daten in einen ausgezeichnet strukturierten und ausgesprochen lesbaren Text zu verarbeiten.

Was an der Herangehensweise der Autoren zwangsläufig Diskussionen auslösen wird, ist der enge definitorische Ansatz. Es ist kühn, einen großen Teil klassischer anarchistischer Geschichtsschreibung als „nicht wirklich anarchistisch“ [18, 71] über Bord zu werfen. Viel hat damit freilich mit unserem Verständnis von Definition zu tun. Definitionen sind kommunikative Vereinbarungen, die es uns erleichtern, uns zu verständigen. In diesem Sinne haben sie primär pragmatische Funktion und keinen Wahrheitsgehalt. Insofern sind kategorische Aussagen wie „es gibt nur eine anarchistische Tradition und sie ist in der Arbeit Bakunins und der Allianz verwurzelt“ [41] oder „[diese Sekten] haben keinen Platz in der anarchistischen Tradition, weil sie nicht anarchistisch sind“ [170] tautologisch und sagen wenig mehr als: Anarchismus ist, was ich Anarchismus nenne. Natürlich lässt sich der vielfältige Komplex Anarchismus mit Hilfe einer „effektiven Definition“ [41] als „kohärente intellektuelle und politische Strömung“ [143] fassen, wenn wir soviel von den konventionellen Definitionen wegschneiden, bis das übrig bleibt, was unseren eigenen Vorstellungen entspricht. Die Frage ist nur, was uns das hilft.

Van der Walt und Schmidt versprechen sich von ihrer Vorgangsweise offensichtlich bessere anarchistische Forschung und eine stärkere anarchistische Bewegung. Ich bin von diesem Punkt nicht ganz überzeugt. Abgesehen davon, dass ich ideologische Grabenkämpfe als Bedrohung für antiherrschaftliche und damit auch (radikale) sozialistische bzw. syndikalistische Politik begreife (und dazu gehört seit jeher das gegenseitige Absprechen „wahrer“ anarchistischer Identität), glaube ich, dass wir auch von GenossInnen lernen können, die sich auf den Kampf gegen Herrschaftsformen wie Patriarchat, Heteronormativität oder Rassismus konzentrieren. Solange sie sozialen Dimensionen gegenüber nicht völlig blind sind, würde ich es dabei für ihre anarchistische Glaubwürdigkeit nicht als entscheidend erachten, welchen Status sie dem ökonomischen Kampf nun genau einräumen.

Anarchismus und Antistaatlichkeit

Die Autoren betonen, dass ihr Ansatz kein „Reduktionismus“ sei, und dass ihr Verständnis nicht als „plumper Proletarismus“ [7] oder als „Ökonomismus“ [21] missverstanden werden dürfe. Dies sind nicht nur Lippenbekenntnisse. Ein Kapitel zu „Anarchist Internationalism and Race, Imperialism and Gender“ untersucht die Zusammenhänge des Klassenkampfes mit antirassistischen und antipatriarchalen Kämpfen. Dennoch wird das Buch von einer Aufarbeitung syndikalistischer Geschichte dominiert, und das erwähnte Kapitel bestätigt zwar, dass es in diesem Rahmen ein Bekenntnis zum Kampf gegen Patriarchat und Rassismus gibt, der auch relative Erfolge verzeichnen konnte, doch wird dem Widerstand gegen diese und andere Unterdrückungsmechanismen eine vom Klassenkampf unabhängige revolutionäre bzw. anarchistische Bedeutung abgesprochen. Dies öffnet Tür und Tor zu einer neuen Verstrickung in „Hauptwiderspruchsdebatten“, die meines Erachtens antiherrschaftliche Bewegungen noch nie weitergebracht haben.

Die stärkste Kritik, die van der Walt und Schmidt an konventionellen Definitionen des Anarchismus formulieren, ist jene, dass „Antistaatlichkeit“ alleine für eine sinnvolle Definition des Anarchismus nicht ausreicht, weil dann auch Anarcho-KapitalistInnen oder MarxistInnen (die schließlich auch in letzter Konsequenz den Staat ablehnen) mit aufzunehmen wären [41ff]. Hier stellt sich allerdings die Frage, warum es zwischen einer einfachen Gleichsetzung von Anarchismus mit Antistaatlichkeit und einer engen Definition des Anarchismus als „bestimmte rationalistische und revolutionäre Form des libertären Sozialismus, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstand“ [71] keine weiteren Definitionsmöglichkeiten geben sollte. Anarchismus lässt sich beispielsweise auch als die Vereinigung egalitärer sozialer Prinzipien mit größtmöglicher individueller Freiheit und der ausnahmslosen Ablehnung staatlicher Strukturen begreifen (auch in Zeiten von „Übergangsperioden“); dies würde einerseits sowohl „anarcho-kapitalistischen“ Sozialdarwinismus als auch marxistischen Bolschewismus ausschließen, uns andererseits jedoch erlauben, einer breiteren anarchistischen Tradition – und Gegenwart – Rechnung zu tragen.

Am allgemeinen Urteil zu Black Flame kann kein Zweifel bestehen: Das Buch ist ein außerordentliches Werk und es sei allen am Anarchismus Interessierten wärmstens ans Herz gelegt! AnarchistInnen, die mit der Definition der Autoren übereinstimmen, werden begeistert sein. AnarchistInnen, die das nicht tun, werden viel lernen und sich herausgefordert sehen, ihren Anarchismus im Verhältnis zu Syndikalismus, Anarcho-Kommunismus und Plattformismus zu reflektieren. In diesem Sinne sollen zum Abschluss noch einmal die Autoren selbst zu Wort kommen: „Sicherlich sind einige der hier präsentierten Argumente kontrovers. Aber das ist nur gut so: Anregende Forschungsarbeit entwickelt sich aufgrund kritischer Debatte, nicht aufgrund etablierter Orthodoxien. Wenn dieses Buch zu weiterer Anarchismusforschung anregt – selbst wenn diese Forschung unseren Argumenten widerspricht –, dann erachten wir unsere Arbeit als erfolgreich“ [26f].

Gabriel Kuhn

Lucien van der Walt & Michael Schmidt: Black Flame. The Revolutionary Class Politics of Anarchism and Syndicalism(Band 1 des Projekts Counter-Power“) Oakland 2009. 395 Seiten, 22,95 US-Dollar.

Erschienen in der Direkte Aktion Nr. 197 Der Artikel findet sich hier auf der Homepage der DA

17 Kommentare leave one →
  1. Ernst Happel permalink
    27. Februar 2010 12:49

    „Mit seinen über 400 Seiten ist Black Flame eine beeindruckende Studie zur internationalen Geschichte des (Sozial)Anarchismus und eine Auseinandersetzung mit dessen Kernfragen wie Organisierung, Strategie und Taktik.“

    400 Seiten sind da eher wenig bei diesem Anspruch. Hoffentlich ist das keine weitere soziologisch-oberflächliche Abgraserei.

    Hat das schon wer gelesen? Ist da auch was zu Deutschland drin?

  2. 27. Februar 2010 15:20

    Ist ja erster Teil einer Reihe. Da wird wohl noch mehr kommen.

  3. Ernst Happel permalink
    27. Februar 2010 16:56

    Oh, hast recht, hätt genau hinschauen sollen! Ha, ha, hauptsche erstmal Pöbeln 🙂

    • Markus permalink
      27. Februar 2010 18:33

      Das Buch, welches Gabriel Kuhn da rezensiert hat, hört sich sehr interessant an, kaufe ich mir irgendwann.
      Allerdings finde ich die Unterscheidung zwischen Sozial-Anarchismus und Individual-Anarchismus völlig ausreichend. Obwohl erklärtermaßen Sozial-Anarchist will ich doch keinem Individual-Anarchisten den Anarchismus absprechen.
      Dass hier aber Proudhon und Tolstoi aus dem Sozial-Anarchismus ausgeschlossen werden, ist wissenschaftlich m.E. nicht zu rechtfertigen. Tolstois Anarchismuskonzeption war massiv von Bakunin und Kropotkin geprägt. Und bei Proudhon dominieren die sozial-anarchistischen Tendenzen m.E. deutlich die individual-anarchistischen. Proudhons Soziologie, die auf dem Grundsatz fußt, dass das Individuum nicht auf die Gesellschaft reduziert werden kann, genauso wenig wie die Gesellschaft auf die Summe der Individuen ist eine der besten soziologischen Synthesen des Individuellen und des Sozialen, die ich kenne. Dieser Aspekt von Proudhons Soziologie ist vielen marxistischen wie liberalen Soziologien m.E. deutlich überlegen. Proudhons Föderalismuskonzept war die Grundlage für alle späteren Föderalismuskonzeptionen des Sozial-Anarchismus. Seine Moralphilosophie in der der Begriff der Gerechtigkeit im Zentrum steht, ist ebenfalls deutlich sozial-anarchistisch orientiert. Proudhon betonte, dass vom sozialen Standpunkt aus Freiheit und Solidarität identische Ausdrücke seien. Er erklärte: „Indem die Freiheit eines jeden in der Freiheit anderer nicht mehr die Schranke, wie die Erklärung der Rechte des Menschen und Bürgers von 1793 sagt, sondern eine Hilfe findet, ist der freieste Mensch derjenige, welcher die meisten Beziehungen zu seinen Mitmenschen hat.“ Für übersteigerten Individualismus, wie ihn manche individual-anarchistischen Stirner-Interpreten vertraten, hatte Proudhon nichts übrig. Dazu gibt es in einer seiner Polemiken eine eindeutige Formulierung: „Girardin ist ein Schwein (…) Er ist ja im Zustand reiner Individualität: Das Individuum ist souverän, Plagiat der stirner´schen Philosophie“ Einer rein individualistischen Konzeption des Anarchismus setzte Proudhon entgegen: „Freiheit ist das Gleichgewicht zwischen Rechten und Pflichten: einen Menschen frei machen heißt, ihn in ein Gleichgewichtsverhältnis mit anderen zu bringen, d.h. ihn auf deren Ebene zu stellen.“ Das entscheidende Defizit von Proudhons Moralphilosophie ist jedoch, dass sie sich nur auf weiße, nichtjüdische, heterosexuelle Männer bezieht. Dieser Aspekt seines Denkens, der ihm schon zu Lebzeiten zu Recht viel Kritik eingebracht hat, ist weder sozial-anarchistisch noch individual-anarchistisch, sondern einfach nur zum Kotzen reaktionär. Dehnt mensch Proudhons ethische Überlegungen jedoch auf alle Menschen aus, und das haben viele seiner Anhänger ja zum Glück getan, dann ist es ein für den Sozial-Anarchismus brauchbarer Ansatz.
      Proudhon war keinesfalls wie gewisse böse Stimmen fälschlich behaupten Anhänger des Privateigentums an den Produktionsmitteln gewesen. Seine Idee war es Banken zu gründen, die zinslose Kredite vergeben, damit die Arbeiter sich Produktionsmittel kaufen können. Proudhons Ideal waren Betriebe, die von Produktionsgenossenschaften geleitet werden, wobei die Produktionsmittel Kollektiveigentum der jeweiligen Produktionsgenossenschaft wären. Wahr ist aber, dass Proudhon es den einzelnen Arbeitern freistellen wollte auch alleine zu produzieren, wenn sie nicht einer Produktionsgenossenschaft beitreten wollten. Damit war jedoch keinesfalls ein Privateigentum an den Produktionsmitteln als Voraussetzung von Lohnarbeit gemeint, Proudhon wollte lediglich sicherstellen, dass die Arbeiter entsprechend ihrem Willen selbst darüber entscheiden können ob sie alleine oder gemeinsam produzieren wollen, obwohl Proudhon selbst stets der gemeinsamen Produktion das Wort redete. Proudhon prägte für eine von den Arbeitern selbst geleitete Wirtschaft den Begriff „Industrielle Demokratie“. Der französische Soziologe Pierre Ansart beschreibt dies in seinem Buch: „Die Soziologie Proudhons“ folgendermaßen: „In einer solchen dezentralisierten und nicht autoritären Wirtschaft, in der die Arbeiter, seien sie nun unabhängig oder in Arbeitsgruppen vereint, allein die Herren ihrer Produktion und so die alleinigen Herren der ganzen Gesellschaft wären, würde sich die positive Anarchie verwirklichen. Wenn Proudhon sich zum Anarchisten erklärt, so will er damit deutlich machen, dass die sozialistische Wirtschaft, heiße sie nun nach seinem Wortschatz fortschreitende Assoziation, Wirtschaft auf Gegenseitigkeit oder Landwirtschaftliche und Industrielle Föderation, rechtlich tatsächlich Befehl und Zwang verschwinden lassen und den alleinigen Produzenten die gesellschaftliche Macht zurückgeben muss, die ihnen im Eigentum und Staat entfremdet worden ist. (…) Für die einzelnen Erzeuger, wie die kleinen Bauern wird die Selbstverwaltung verwirklicht sein, sobald die Ausbeutung durch den Eigentümer aufhört, da der Vertrag sich nur auf Austauschbeziehungen erstrecken wird und der Bauer die Freiheit erhalten wird, frei über seine Erzeugnisse zu verfügen. Aber auch in den großen Industriebereichen wie Bergbau, Eisenbahnen oder Manufakturen muss der Grundsatz der Verantwortlichkeit ebenfalls verwirklicht werden und zwar dadurch, dass man den entsprechenden Industriebetrieb einer Gesellschaft verantwortlicher Arbeiter übergibt. Anstatt einem kapitalistischen Eigentümer zu gehören, muss das Industrieunternehmen Eigentum einer Gesellschaft von Arbeitern werden, (…). Dann wird der Arbeiter aufhören ein Lohnabhängiger zu sein, er wird an den Gewinnen und Verlusten des Betriebes beteiligt sein (…). ( Pierre Ansart, Die Soziologie Proudhons, S. 52 – 56) Wie gewisse Marxisten es fertig bringen, bei dieser Konzeption aus Proudhon einen Anhänger des Privateigentums an den Produktionsmitteln zu machen, ist mal wieder eines der Rätsel historisch-materialistischer Interpretationskunst. Berechtigt ist hingegen die Kritik an Proudhon, dass dieser eine zu unkritische Haltung zum Prinzip des Wettbewerbs und zum Markt hatte. Proudhon war Marktsozialist, das unterscheidet ihn ganz wesentlich von Marx, Bakunin und allen Sozial-Anarchisten, die nach ihm kamen. Proudhon war der Ansicht, dass die einzelnen sich in Arbeiterhand befindlichen Betriebe in marktwirtschaftlicher Weise miteinander konkurrieren sollten. Den Wettbewerb der Betriebe hielt er für notwendig für die gesellschaftliche Entwicklung und diese Übernahme eines bourgeoisen Standpunktes in seine Konzeption erregte m.E. zu Recht die Kritik vieler Marxisten und Anarchisten. Ich selbst lehne die Marktwirtschaft ab, ich strebe die Abschaffung oder zumindest weitestgehende Einschränkung des Marktes an und halte diesen Aspekt von Proudhons Konzeption ebenfalls für falsch und kritikwürdig. Jedoch muss hier, um Proudhon Gerechtigkeit widerfahren zu lassen deutlich betont werden, dass sich sein libertär-marktsozialistischer Mutualismus massiv von neoliberalen Konzeptionen unterscheidet. Da sind einerseits Proudhons Banken, die zinslose Kredite an die Arbeiter vergeben sollen, andererseits soll durch seine Idee der Tauschbank der Zwischenhandel ausgeschaltet werden und ein gerechter Tausch der Produkte gewährleistet werden. Gesellschaftliche Probleme, die sich durch den Wettbewerb der Betriebe ergeben, können in Proudhons Mutualismus durch die obersten Räte der Landwirtschaftlichen und Industriellen Föderationen entgegenwirkt werden. Beim späten Proudhons ist neben der wirtschaftlichen Föderation noch eine politische Parallel-Föderation vorgesehen, die ebenfalls regulierend in die Wirtschaft eingreifen kann. Das ist kein Neoliberalismus. Mensch sollte ohnehin Proudhons Mutualismus als eigenständige wirtschaftswissenschaftliche Richtung behandeln und nicht versuchen sie unter die bürgerlichen Richtungen zu subsumieren, aber wenn mensch hier schon Bezüge zur bürgerlichen Wirtschaftswissenschaft herstellt, dann ließe sich Proudhons Mutualismus am ehesten als libertärer marktsozialistischer Keynesianismus bezeichnen. Das halte ich für eine Abschaffung des Kapitalismus keinesfalls für ausreichend, aber Neoliberalismus ist etwas anderes. Es gibt in dieser Hinsicht eine richtige und eine falsche Kritik an Proudhon.
      Proudhons Buch „System der ökonomischen Widersprüche“ ist eines der bedeutendsten wirtschaftswissenschaftlichen Werke der sozialistischen Bewegung, auch wenn ich in direktem Vergleich, hier eindeutig Karl Marx „Kapital“ den Vorzug gebe. Lernen sollte der heutige libertäre Sozialismus trotzdem von beiden.
      Proudhons ist oft als Nationalist und Militarist kritisiert worden. Es kann schnell die Neigung entstehen, Proudhon auch das noch zuzutrauen, bedenkt mensch Proudhons antisemitische, rassistische, frauenfeindliche und homophobe Einstellungen. Während es bei letzteren nichts zu beschönigen gibt, stimmen die Vorwürfe des Nationalismus und des Militarismus so nicht. Während dem frühen Proudhon eine gewisse nationale Verhaftung an Frankreich nicht ganz abzusprechen ist, wurde der späte Proudhon zum radikalen Anti-Nationalisten und legte damit die Grundlagen für alle späteren Formen anarchistischer Nationalismuskritik. Er schrieb: „Was man heute Wiederherstellung Polens, Italiens, Ungarns, Irland nennt, ist im Grunde nichts anderes als die einheitsstaatliche Herstellung großer Territorien nach dem Muster der großen Mächte, deren Zentralisierung so schwer auf den Völkern lastet, es ist Nachahmung der Monarchie zum Nutzen des demokratischen Ehrgeizes, das ist nicht Freiheit, noch viel weniger Fortschritt. Diejenigen, die soviel davon reden, diese nationalen Einheiten wiederherzustellen, haben keinen Sinn für die Freiheiten des Einzelnen. Der Nationalismus ist der Vorwand, dessen sie sich bedienen, um sich vor der ökonomischen Revolution zu drücken.“
      In einem anderen Zitat schreibt Proudhon, die Kritik an der nationalstaatlichen Vereinheitlichung, die später eine wesentliche Grundlage des Poststrukturalismus wurde, vorwegnehmend: „Die erste Auswirkung der Zentralisierung, es handelt sich hier um nichts anderes, ist in den verschiedenen Örtlichkeiten eines Landes jede Art von innerer Eigenart verschwinden zu lassen, während man glaubt, hierdurch in der Masse das politische Leben auf eine höhere Stufe zu erheben, zerstört man es in seinen Bestandteilen und zwar bis hin zu seinen Elementen. Ein Staat von 26 Millionen Seelen, der Italien sein würde, ist ein Staat, in dem alle Freiheiten, der Provinzen und Gemeinden zum Nutzen einer übergeordneten Macht vereinnahmt werden, die die Regierung ist. Da muss jede Örtlichkeit schweigen, jeder Kirchturmsgeist verstummen: außerhalb des Wahltages, an dem der Bürger seine Souveränität durch einen auf einen Stimmzettel geschriebenen Eigennamen manifestiert, ist die Gesellschaft in der Zentralmacht aufgesogen. (…) Die Verschmelzung, in einem Wort, d.h. die Vernichtung der besonderen nationalen Gruppen, in denen die Bürger leben und sich voneinander unterscheiden, in einer abstrakten Nationalität, wo man nicht mehr atmet und sich nicht mehr kennt – voila, die Einheit.“
      Proudhons Konzeption eines föderalistischen Europas sowie seine gesamte Nationalismus-Kritik sind von Rudolf Rocker hoch geschätzt worden.
      Proudhons Buch über den Krieg ist häufig missverstanden worden. „La Guerre et la Paix“ enthält zwar in der Tat kriegsverherrlichende Formulierungen, die sich Proudhon m.E. mal besser gespart hätte, aber tatsächlich ist es ein Werk gegen den Krieg. Es ist nur in einem eigenwilligen Stil geschrieben, nach dem Motto „Begraben wir Cäsar, aber singen wir vorher sein Loblied“. Ähnlich wie Marx der Ansicht war, dass Nationalstaat und Kapitalismus nicht gesellschaftliche Fehlentwicklungen seien, sondern im Rahmen bestimmter Zivilisationsstufen strukturell notwendige Erscheinungen, die zeitweise unvermeidbar und notwendig, später aber überwunden werden müssen, meint Proudhon eben dies in einem sehr ähnlichen Sinne vom Phänomen des Krieges und versucht ausgehend von dieser Perspektive herauszufinden, welche strukturell unvermeidbare Funktion der Krieg in der bisherigen Menschheitsgeschichte gespielt hat, um daraus Schlussfolgerungen zu ziehen, um den Krieg im Kontext der jetzigen Zivilisationsstufe abschaffen zu können. Während ich Marx entschieden widersprechen würde, Kapitalismus und Nationalstaat seien notwendige Entwicklungsstufen und mit Rudolf Rocker und Murray Bookchin dagegen halten würde, dass es sich dabei um gesellschaftliche Pathologien, Fehlentwicklungen, auf jeden Fall nicht unvermeidbare Entwicklungen handelt, glaube ich, dass Proudhon mit seiner Hypothese bis zu einem gewissen Grad (aber keinesfalls im Detail) Recht gegeben werden muss. Bei den Stämmen der Jäger und Sammler ist die Solidarität nach innen hin in der Regel hoch, nach außen hin hält sich jeder Stamm hingegen für „die Menschen“ und Kriege mit anderen Stämmen sind häufig. Darauf hat z.B. der anarchistische Ethnologe Pierre Clastres hingewiesen und versucht Erklärungen dafür zu finden. Der Krieg lässt sich vermutlich tatsächlich erst auf einer anderen Zivilisationsstufe abschaffen, wenn die Entwicklung des Bewusstseins einer „universellen Humanitas“, eines gemeinsamen Menschheitsbewusstseins möglich ist. Auf Stammesebene ist dies nicht möglich, erst auf Ebene der Städte beginnt sich ein solches Bewusstsein zu entwickeln. Dass Proudhons Buch gegen den Krieg als militaristisch missverstanden wurde, hat er sich bis zu einem gewissen Grad selbst zuzuschreiben, denn die eigenwillige Komposition des Buches bei der sich Passagen, die dem Krieg im Rahmen einer jeweiligen Zivilisationsstufe notwendige Funktionen zusprechen, mit solchen abwechseln, die die Schrecken des Krieges anprangern, verleitet zu Missverständnissen. Proudhons Hypothese der Krieg habe auf bestimmten Zivilisationsstufen notwendige positive Funktionen, lehne ich radikal ab – strukturell unvermeidbar heißt für mich keineswegs im positiven Sinne funktional – aber eine Kritik an diesem Werk sollte auf keinen Fall Proudhons tatsächliche Intention verkennen: aus einer Analyse der strukturellen Voraussetzungen vergangener Kriege Schlussfolgerungen zu ziehen für die Möglichkeit einer endgültigen Abschaffung des Krieges in der Gegenwart.
      Zuletzt sei auf die wichtige Funktion Proudhons für die Entwicklung des postmodernen und poststrukturalistischen Denkens verwiesen. Proudhon ist ein wesentlicher ideengeschichtlicher Vorläufer des Poststrukturalismus und steht als wichtiger Impulsgeber bei fast allen französischen Poststrukturalisten direkt oder indirekt im Hintergrund. Proudhons Ausspruch “Gott ist das Böse“ war keinesfalls trivial gemeint, wie er oft interpretiert wird. Er meint damit das Gleiche, wie Nietzsche, wenn dieser sagt. „Gott ist tot“ Der Begriff Gott steht bei beiden als Symbol für das Prinzip der Vereinheitlichung und hat mit dem religiösen Gottesbegriff wenig zu tun. Das Prinzip der Vereinheitlichung wurde hier als das Prinzip des Bösen aufgefasst, genau wie im Poststrukturalismus. Proudhons Denken war stark pluralistisch, stets verteidigt er die Verschiedenheit der Einzelnen und Gruppen gegenüber jeglichem vereinheitlichenden Prinzip (warum er es nicht geschafft hat, bei diesem extremen Hang zum Pluralismus, auch Frauen, Juden, Schwarze und Homosexuelle einzubeziehen erscheint da unnachvollziehbar).
      Wenn gewisse Marxisten sich die Frage stellen, warum der poststrukturalistische Philosoph und Begründer der Dekonstruktion Jacques Derrida der Ansicht war, die „Gerechtigkeit“ sei der einzige Wert, der nicht dekonstruiert werden könne, dann hätten sie mal Proudhon lesen sollen, diese Idee geht nämlich auf Proudhon zurück, der ebenfalls der Ansicht war, dass die „Justice“ das einzig bleibende Prinzip im ewigen Wandel der Dinge sei. Auch Derridas „Negative Dialektik“ geht ideengeschichtlich mindestens indirekt auf die Negative Dialektik von Proudhon zurück. Statt Proudhon als irrelevanten Frühsozialisten und Neoliberalen zu verhöhnen, wäre es wohl angebracht gewesen ihn mal zu lesen, dann verstünde man auch die eigenen so geliebten Poststrukturalisten etwas besser.
      Fazit: Es wäre ein gewaltiger Fehler Proudhon aus dem Sozial-Anarchismus auszuschließen. Allein dass sein Föderalismuskonzept maßgeblich war für die weitere Entwicklung sozial-anarchistischer Föderalismuskonzeptionen sichert ihm für immer einen Platz unter den wichtigsten Theoretikern des libertären Sozialismus. Aber Proudhon hat wie gesagt sehr viel mehr zu bieten. Für ihn gilt daher das Gleiche wie für Marx: Alles Reaktionäre scharf kritisieren und verwerfen, alles Überholte und Unzeitgemäße rauswerfen und alles Brauchbare einbeziehen und weiter entwickeln. (Und dabei um Objektivität bemüht sein.)

      • Sogenannte gewisse Marxisten permalink
        8. November 2013 09:30

        M.E. liegt das wesentliche Mißverständnis darin, dass sich das immer so anhört, als würde Proudhon gleich aus einem ganzen linken Kanon ausgeschlossen, nur weil man konstatiert, er sei kein Anarchist gewesen. Van der Walt und Schmidt argumentieren, dass der Anarchismus als soziale Bewegung erst mit der Arbeiterbewegung aufkam, das er mithin eine Strömung der Arbeiterbewegung ist (dem stimme ich zwar zu, aber die Argumentationsweise der beiden ist hier eher mager – denn sie argumentieren kaum sozialgeschichtlich, sondern rein ideengeschichtlich), und die gibt es in diesem Sinne ja nun frühestens in den späten 1840er Jahren, eigentlich erst ab den 1860ern.
        Es ist aber unbenommen, dass es zahlreiche frühere Denker gibt – frühsozialistische, christliche, materialistische, utopistische – die den Anarchismus seit den 1860er Jahren stark beeinflusst haben. Also: Wenn man statt „Theoretiker des libertären Sozialismus“ einfach „Vordenker des libertären Sozialismus“ sagt, dann passt es, und widerspricht auch „Black Flame“ gar nicht.

      • Property is Theft! A Pierre-Joseph Proudhon Reader / Direct Struggle Against Capital. A Peter Kropotkin Anthology permalink
        11. November 2013 12:45

        Two new important english books:

        (1) Property is Theft! A Pierre-Joseph Proudhon Reader

        Pierre-Joseph Proudhon (Author); Iain McKay (Editor)
        Publisher: AK Press. Format: Book. Binding: pb
        Pages: 670
        Released: Jan 1, 2011
        ISBN-13: 9781849350242

        More influential than Karl Marx during his lifetime, Pierre-Joseph Proudon’s work has long been out of print or unavailable in English. Weighing in at over 700 pages, Iain McKay’s comprehensive collection is a much-needed and timely historical corrective, and includes a number of new translations of Proudhon’s work for an English-speaking audience, as well as an exhaustive historical introduction to Proudhon’s life and works.

        “An indispensable source book for anyone interested in Proudhon’s ideas and the origins of the socialist and anarchist movements in nineteenth-century Europe.“—Robert Graham, editor of Anarchism: A Documentary History of Libertarian Ideas “Iain McKay’s introduction offers a sure-footed guide through the misconceptions surrounding Proudhon’s thought.“—Mark Leier, author of Bakunin: The Creative Passion
        ”In the English-speaking world, Proudhon is one of the best known but least well understood anarchists, largely because the bulk of his work is not available in translation. Iain McKay’s comprehensive anthology, which draws on Proudhon’s correspondence as well as his published work, fills a real gap and should encourage new readers to engage with his work and appreciate both the positive contribution he has made to anarchist thinking and the enormity of his influence on the anarchist movement.”—Ruth Kinna author of Anarchism: A Beginner’s Guide and editor of Anarchist Studies
        http://www.akpress.org/propertyistheftakpress.html
        —————–
        for march 2014 from Iain McKay (Editor)

        (2) Direct Struggle Against Capital. A Peter Kropotkin Anthology

        Peter Kropotkin (Author); Iain McKay (Editor)
        Publisher: AK Press. Format: Book. Binding: pb
        Pages: 680
        Released: Feb 21, 2014
        ISBN-13: 9781849351706

        The most extensive selection of Kropotkin’s writings published in English. Serving as an introduction to classic texts and a recasting of Kropotkin from saintly philosopher to dangerous revolutionary, it’s for both beginners and historians. Of the 70 pieces, 39 are newly translated and/or appearing for the first time in book form. Includes contextualizing introduction, biographical sketch, glossary, bibliography, and index.

        Iain Mckay is a Scottish writer, activist, and public intellectual. He has edited the books An Anarchist FAQ (volumes 1 & 2) and Property Is Theft: A Pierre-Joseph Proudhon Anthology. He is a former editor of Black Flag magazine and frequent contributor to Freedom.
        http://www.akpress.org/direct-struggle-against-capital.html

        see as well: Anarchist Writers > http://anarchism.pageabode.com/
        via Facebook https://www.facebook.com/AnarchistWriters

        An Anarchist FAQ: http://anarchism.pageabode.com/afaq/index.html

        —-
        Anarchist Theory – Use it or Lose it

        This is a write up of a talk given at the 2011 London Anarchist bookfair. Its blurb was: “Why bother with dead anarchists? For some, while anarchists may do beards well we don’t do theory. This is wrong. We do have theory, as my An Anarchist FAQ and Property is Theft! show. Anarchism is a rich source for analysing and transforming society. Join me in exploring why dead anarchists are worth reading.”

        I’ve tried to keep it as close as possible to what I remember of what I said, based on the same notes. There will be differences but I hope I’ve got most of it right. Some of it may be better than on the day, some perhaps worse. Some bits have been expanded upon. I’ve also provided references for further reading.
        http://anarchism.pageabode.com/anarcho/anarchist-theory-use-it-or-lose-it

        —-
        Kropotkin: The Anarchist Formerly Known as Prince

        http://anarchism.pageabode.com/anarcho/kropotkin-anarchist-formerly-known-prince

        Klicke, um auf Kropotkin.pdf zuzugreifen

        —-
        “Direct Struggle Against Capital”, or anarchism and syndicalism
        Thu, 11/22/2012 – 17:17 — Anarcho (d.i. Iain McKay)

        This is a write up of a talk I did at the 2012 London anarchist bookfair. It explores the interwoven nature of revolutionary anarchism and syndicalism, showing how the standard Leninist account of both is false. It shows how syndicalism evolved as a key anarchist tactic within the First International and how revolutionary anarchists like Bakunin and Kropotkin advocated syndicalist ideas and tactics. Suffice to say, this is the talk I hoped to give – the actual one may not have equalled these hopes! The title is a Kropotkin quote, one much repeated in his works
        http://anarchism.pageabode.com/anarcho/direct-struggle-against-capital-or-anarchism-syndicalism
        —-
        Kropotkin Anthology Update and Anarchist Bookfair talks
        http://anarchism.pageabode.com/anarcho/kropotkin-anthology-update-anarchist-bookfair-talks
        —-
        An incomplete Kropotkin Bibliography
        http://anarchism.pageabode.com/anarcho/incomplete-kropotkin-bibliography

  4. ademas permalink
    27. Februar 2010 20:09

    da bin ich völlig baff -markus — danke für deinen wirklich ausführlichen beitrag
    ich hab mich anfangs etwas über das buch mit seinem schwerpunkt auf den syndikalismus geärgert – es war vor allem auch die ausschliesslichkeit (auch gegenüber dem anarchokommunismus)bzw. die konzentration auf syndikalismus hier und insurrektionismus da — wobei ich persönlich zweifel habe, letzeren in seiner heutigen darstellung zum „anarchismus“ zu zählen — aber ich habe das buch verstanden als einer der vielen deutungen zum anarchismus und von daher ist es dann wieder gut…
    angeblich sollen ja alle AnarchistInnen Büchermenschen sein, liegt vielleicht daran.daß viele eher einen akademischen hintergrund haben
    für mich ist jedoch immer noch relevant was wir an anarchistischen verhalten im täglichen leben hinkriegen, von mir aus auch wo das schreiben über den anarchismus aufhört und das leben der anarchie anfängt — und da gibt es noch einiges zu tun auch im syndikalismus, wenn er nicht in lohnkämpfe oder als pure reaktion auf die von wirtschaft und politik bestimmten teilkämpfe unterzugehen droht

    • Neues aus der (A)nstalt 2 permalink
      11. November 2013 07:26

      Ja, ich bin auch baff. Besonders über Sätze wie:

      „über das buch mit seinem schwerpunkt auf den syndikalismus geärgert “

      „der vielen deutungen zum anarchismus und von daher ist es dann wieder gut“

      „angeblich sollen ja alle AnarchistInnen Büchermenschen sein, liegt vielleicht daran.daß viele eher einen akademischen hintergrund haben
      für mich ist jedoch immer noch relevant was wir an anarchistischen verhalten im täglichen leben hinkriegen, von mir aus auch wo das schreiben über den anarchismus aufhört und das leben der anarchie anfängt “

      und dann:

      „noch einiges zu tun auch im syndikalismus, wenn er nicht in lohnkämpfe oder als pure reaktion auf die von wirtschaft“

      Ja, lieber Anarchie, das ist ja klasse, dass du nicht so schnöde Lohnkämpfe führen willst, sondern lieber die praktischen Sachen der echten richtigen Anarchie voll extrem angehst!
      Das sind die Vorkämpfer der neuen Zeit: Tierbefreier, Veganer, Genderaktivisten, Pussy-Riot, Clownsarmee, Guerilla-Gardening, Vokü, geschlechtsneutrale Autonome Zentren, von diesen vielsversprechenden Projekten geht seit Jahrzehnten der starke Sog der echten und „im täglichen Leben“ verhafteten Anarchie aus und zieht die Menschheit in ihren Bann. So einfältige Lohnkämpfe und simple Reaktionen auf die Wirtschaft können mit diesen ganzen praktischen Bezügen nicht mithalten. Besonders weil die Unterdrückung ja ganz woanders herkommt, als aus der Wirtschaft – die Syndikalisten wollen alle nur mehr Geld durch weniger Arbeit haben – so sieht’s aus! Pure Reaktionen sind für solche stolzen Kämpfer, wie du einer bist nichts… das kann ich schon nachvollziehen.

      Also dann! Mit Graswurzelpragmatismus voran!

      • Flamme an! permalink
        11. November 2013 09:50

        Ich vermute ja mal, dass der Autor des vorangegangenen Postings aus dem Frühjahr 2010 die Reaktion aus dem Herbst 2013 kaum bemerken wird… ich stehe auch nicht auf die Polemik, die mit der Kritik verbunden ist, denn da wird zu viel in einen Topf geworfen: Würde man und frau sich endlich mal wieder auf einen materialistischen Feminismus besinnen, dann würden zahlreiche der angeschnittenen Themen ja Sinn ergeben. Und Aspekte wie „Clowns-Armee“ und „Guerilla Gardening“ sind ja eher Methoden… – eine Clownsarmee in der Chefetage wäre doch tatsächlich ganz lustig. Und Guerilla Gardening in seiner Urform aus den USA ist ja nun tatsächlich dezidierter Klassenkampf – arbeitslos gewordene erobern sich Land zurück und bebauen es, um was zu fressen zu haben. Nur hierzulande ist es eher reine Mode. Dass Hobbys wie Gärtnern und Handarbeiten in Mode kommen, hat aber auch etwas mit einem Krisenbewusstsein zu tun…

        Nichtsdestotrotz: DEr Kern der Kritik ist richtig und hat einen einfachen Grund. Dieser ganze anarchistische Laden ist eben doch nur eine hobbymässige Lifestyle-Veranstaltung. Wenn ich mich mit den Bossen in meinem Arbeitsleben anlege, gibt’s Ärger. Dagegen ist ne Demo für oder gegen irgendwas, auch mit polizeilicher Repression, meist nicht von Konsequenzen betroffen. Man kann sich prima rebellisch fühlen, aber im Job die geballte Faust in der Tasche lassen. Und die ideologische Ausrede ist dann, dass das ja „veraltetes“ Klassenkampf-Gerede sei.

        Darum ist „Black Flame“, bei allen Fehlern, ein wichtiges Buch: Es macht deutlich, dass die Klassenkämpfe immer der Kern des Anarchismus waren. Die Autoren machen ziemlich deutlich, dass alles, was ansonsten so als Anarchismus gilt, im Nachhinein dazu gemacht wurde. Nur in einem sind sie wenig konsequent: Dann muss man nämlich auch konstatieren, dass es heute keine anarchistische Bewegung mehr gibt.

      • baffbaffbaffbaffbaffbaffbaffbaffbaffbaffbaffbaffbaffbaffbaffbaffbaffbaffbaffbaffbaff permalink
        11. November 2013 17:44

        Großer „N(A)ME“ und nix dahinter.

  5. Flamme an! permalink
    12. November 2013 09:40

    ?

  6. Rezension: Gewichtiger Band zur Geschichte der libertären ArbeiterInnenbewegung - P.Nowak permalink
    12. November 2013 17:43

    http://peter-nowak-journalist.de/2013/11/07/breiter-als-man-denkt/

    Breiter, als man denkt
    Gewichtiger Band zur Geschichte der libertären ArbeiterInnenbewegung

    Am 11. November 1887 wurden vier Gewerkschaftler in Chicago hingerichtet. Sie waren in Folge einer blutig aufgelösten Demonstration am 1. Mai festgenommen worden. Eines der Opfer war August Spieß, der, bevor er auf das Schafott stieg, erklärte: „Der Tag wird kommen, da unser Schweigen mächtiger sein wird als die Stimmen, die ihr heute erdrosselt.“ Wenige Jahre nach dem Tod der Chicagoer Vier wurde der 1. Mai zum internationalen Gedenktag an dieses Ereignis und gleichzeitig zum Kampftag für den Achtstundentag erklärt. Damit wurde die Grundlage des internationalen “Arbeiterkampftags” gelegt. Die Hingerichteten gehörten zu der broad anarchist tradition in der Arbeiterbewegung, ein Begriff, der im deutschsprachigen Raum bis heute weitgehend unbekannt ist. Jetzt hat der kleine Nautilus-Verlag das monumentale Geschichtswerk „Schwarze Flamme. Revolutionäre Klassenpolitik im Anarchismus und Syndikalismus“ herausgegeben.

    erschienen in: express, 10/2013 – Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit

  7. Buch "Schwarze Flamme" auf Lesetour permalink
    12. November 2013 18:10

    Lesungen und Veranstaltungen unserer Autoren

    Die Übersetzer von Schwarze Flamme gehen auf Tour:
    http://www.edition-nautilus.de/news/news.html

    Schwarze Flamme Lucien van der Walt / Michael Schmidt, Schwarze Flamme
    Großformat, Broschur 560 Seiten
    ISBN 978-3-89401-783-5, 39,90 €
    München
    Montag, 11. November, 19.30 Uhr

    Schwarze Flamme. Vortrag und Diskussion mit Übersetzer Andreas Förster

    Veranstaltungsort: EineWeltHaus München, Schwanthalerstraße 80 / Gruppenraum U20

    Eintritt frei
    Eine Veranstaltung der FAU München

    Winterthur
    Dienstag, 12. November, 19.30 Uhr
    Schwarze Flamme. Buchpräsentation mit dem Übersetzer Andreas Förster
    Veranstaltungsort: Nord-Süd-Haus, Steinberggasse 18
    Eintritt frei

    Eine Veranstaltung der Libertären Aktion Winterthur
    Bern
    Mittwoch, 13. November, 20 Uhr
    Schwarze Flamme. Buchvorstellung und Diskussion mit Andreas Förster
    Veranstaltungsort: Infoladen Bern, Neubrückstrasse 8
    Eintritt frei

    Basel
    Freitag, 15. November, 20 Uhr
    Schwarze Flamme. Vortrag und Diskussion mit Andreas Förster
    Veranstaltungsort: Infoladen Magazin, Inselstrasse 79
    Eintritt frei

    Freiburg
    Samstag, 16. November, 20 Uhr
    Schwarze Flamme. Buchvorstellung und Diskussion mit Andreas Förster
    Veranstaltungsort: KTS, Basler Straße 103

    Eintritt frei

    Eine Veranstaltung der FAU Freiburg

    Ludwigsburg
    Sonntag, 17. November, 19 Uhr

    Schwarze Flamme. Vortrag und Gespräch mit Andreas Förster

    Veranstaltungsort: FAU Stuttgart/Ludwigsburg / Demokratisches Zentrum, Wilhelmstraße 45/1

    Eintritt frei

    Augsburg
    Montag, 18. November, 20 Uhr

    Schwarze Flamme. Buchpräsentation und Diskussion mit Andreas Förster

    Veranstaltungsort: Infoladen Augsburg / Kulturladen Ganze Bäckerei, Reitmayrgässchen 4

    Eintritt frei

    Berlin
    Freitag, 29. November, 19 Uhr

    Schwarze Flamme. Buchvorstellung und Diskussion mit Andreas Förster

    Veranstaltungsort: FAU Lokal, Lottumstraße 11

    Eintritt frei
    Eine Veranstaltung der FAU Berlin

    Mannheim
    Freitag, 6. Dezember, 19 Uhr

    Schwarze Flamme. Buchvorstellung und Diskussion mit Holger Marcks

    Veranstaltungsort: Café Filsbach, Quadrat J6, 1-2

    Eintritt frei

    Eine Veranstaltung der Anarchistischen Gruppe Mannheim, der FAU Mannheim und der FAU Neustadt

    Halle
    Donnerstag, 12. Dezember, 19 Uhr

    Schwarze Flamme. Buchvorstellung und Diskussion mit dem Übersetzer Andreas Förster

    Veranstaltungsort: VL Halle, Ludwigstraße 37

    Eintritt frei

    Eine Veranstaltung der Anarchistischen Bibliothek Halle aus dem VL-Infoladen und der FAU Halle. Gefördert durch die Rosa Luxemburg Stiftung Sachsen-Anhalt.

    http://black-flame-anarchism.blogspot.de/

  8. Nasser Helm permalink
    13. November 2013 19:33

    Die flotte Schreibe des Kameraden Schmidt mag ja einige in ihrem Bann ziehen – aber wenn man mal etwas kratzt, findet sich doch eine etwas merkwürdige Haltung dieses Vertreters der Theorie einer „breiten anarchistischen Tradition“ … auch wenn er seinen Schwerpunkt ziemlich eindeutig auf AS und revolutionären Syndikalismus legt, was mir ganz gut behagt, wobei ich bei vielem, was er darunter subsumimiert, doch ziemlich schlucken mußte, eben ein weites Feld von nachträglichen Interpretationen ohne n“Beweise“ …

    Wer solche Sätze absondert, wie dem ‚Arbetaren‘-Interview vom Mai 2012, den muß man ernstlich fragen dürfen, ob er einen «nassen Helm» auf hat. In seinem gerade bei AK Press erschinenen 160-Seiten-Taschenbuch „CARTOGRAPHY of REVOLUTIONARY ANARCHISM“ (englische Übersetzung seiner fanzösischen Erstveröffentlichung aus Canada) findet sich ein Foto von ihm mit Stahlhelm (achja, wir militanten Anarchos).

    Hier der Satz aus dem SAC-‚Arbetaren‘-Interview:

    „Wenn der Tag kommt, dass Anarchisten getötet und eingesperrt werden und wir feststellen, dass einige unserer Genossen Polizeispitzel sind, dann wissen wir, dass wir auf dem richtigen Weg sind, die Macht wirklich herauszufordern.“

    Auf eine Bewegung, die stolz darauf zu sein soll, daß der Polizeistaat über unsere Leichen geht, kann ich wirklich verzichten …

    • Michael Schmidt im ‚Arbetaren‘-Interview zu dem Buch „Black Flame“
    ‚Arbetaren‘, Mai 24 bis 30 – 2012.
    Online auf Schwedisch an http://arbetaren.se/artiklar/vill-ge-ny-syn-pa-anarkismen
    (ich habe die englische Übersetzung der Schweden benutzt)

  9. 21. Februar 2014 14:13

    „Schwar­ze Flam­me“ ist eine Ge­schich­te der Ge­gen­macht: Lu­ci­en van der Walt und Micha­el Schmidt legen eine um­fas­sen­de Sys­te­ma­tik und in­ter­na­tio­na­le Ge­schich­te des An­ar­chis­mus und Syn­di­ka­lis­mus und eine Aus­ein­an­der­set­zung mit Kern­fra­gen wie Or­ga­ni­sie­rung, Stra­te­gie und Tak­tik vor. Vom 19. Jahr­hun­dert bis zu heu­ti­gen an­ti­ka­pi­ta­lis­ti­schen Be­we­gun­gen zeich­nen sie an­ar­chis­ti­sche Tra­di­tio­nen und seine zeit­ge­nös­si­schen For­men nach und un­ter­su­chen an­ar­chis­ti­sche Po­si­tio­nen zu Rasse, Gen­der, Klas­se und Im­pe­ria­lis­mus. Mit sei­nem gro­ßen Um­fang und der in­ter­na­tio­na­len Di­men­si­on der Ma­te­ri­al­samm­lung – auch zu La­tein­ame­ri­ka, Asien und Afri­ka gibt es um­fas­sen­de In­for­ma­tio­nen – darf das Buch be­reits jetzt als Stan­dard­werk an­ar­chis­ti­scher und syn­di­ka­lis­ti­scher Ge­schichts­schrei­bung gel­ten: sys­te­ma­tisch, kon­tro­vers und aus­ge­spro­chen gut les­bar.

    Alle Orte:

    Müns­ter
    Am: Mon­tag 10.​03.​2014
    Zeit: 20:oo Uhr
    Ort: In­ter­kul­tu­rel­les Zen­trum Don Qui­jo­te, Nie­ber­ding­stra­ße 8, 48155

    Bie­le­feld.
    Am: Diens­tag 11.​03.​2014
    Zeit: 19.​30 Uhr
    Ort: FAU-​Ge­werk­schafts­lo­kal, Metzerstr.​20, 33607 Bie­le­feld.

    Düs­sel­dorf
    Am: Mitt­woch 12.​03.​2014
    Ein­laß: 19 Uhr
    Be­ginn: 20 Uhr
    Ort: Hin­ter­hof, Cor­ne­li­us­stra­ße 108, 40225 Düs­sel­dorf

    Bonn
    Am: Don­ners­tag 13.​03.​2014
    Zeit: 20:00 Uhr
    Ort: Buch­la­den „Le Sabot“, Brei­te Stra­ße 76, 53111 Bonn (Nord­stadt)

    Wup­per­tal
    Am: Frei­tag 14.​03.​2013
    Zeit: 19.​30 Uhr
    Ort: AZ Wup­per­tal, Mar­ko­man­nen­str.3, 42105 Wup­per­tal

  10. Rémi Gaillard permalink
    22. Februar 2014 00:14

    ZDF aspekte: Youtube-Anarchist Rémi Gaillard

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