Zum Inhalt springen

100 Jahre CNT – Berichte von 1931 – Vorboten der Revolution (1/8)

4. Mai 2010

Dieses Jahr feiert die traditionsreiche anarcho-syndikalistische Gewerkschaft Spaniens, die Confederacion Nacional del Trabajo (CNT), ihren 100. Geburtstag. Aus diesem Anlass haben wir uns entschlossen, einige historische Berichte über die Entwicklung und Kämpfe der wohl bekanntesten anarcho-syndikalistischen Organisation der Welt zu veröffentlichen. Es handelt sich dabei um Beiträge, die in der Wochenzeitung der Freien Arbeiter-Union Deutschlands (FAUD), „Der Syndikalist“, erschienen sind. Gibt es über die soziale Revolution des Jahres 1936 zahlreiche Bücher, Artikel und auch Filme, so ist das Wirken der CNT vor dem Juni 1936 weitaus weniger dargestellt und analysiert. Doch alle Erfahrungen, Streiks und Aufstandsversuche vor der Revolution haben auch dazu beigetragen, dass diese schließlich von den ArbeiterInnen und BäuerInnen erfolgreich durchgeführt wurde, ehe sie schließlich von einer stillschweigenden Allianz aus Kommunistischer Partei, Faschisten, Kirche, Kapitalisten und den bürgerlichen Demokratien zerstört und militärisch besiegt wurde. Es soll an dieser Stelle auch nicht verschwiegen werden, daß auch die CNT Fehler machte, die dazu führten, das sie ihre Machtposition verlor und sich ihr Einfluß verringerte.

In 8 Folgen unter dem Titel „Vorboten der Revolution“ begleiten wir die Kämpfe der AnarchosyndikalistInnen Spaniens. Jeden Monat werden wir einen weiteren historischen Text aus dem „Syndikalist“ veröffentlichen. Den Beginn macht ein Beitrag aus dem April 1931. Zuerst jedoch findet sich hier ein genereller Überblick über die Mitgliedsorganisationen der anarchosyndikalistischen Internationale (IAA) im Jahr 1930.

Red. Syndikalismus.tk

Die Internationale Arbeiter-Assoziation im Jahre 1930

Im Jahre 1930 waren an die IAA folgende Organisationen angeschlossen:

Argentinien: Federacion Obrera Regional Argentina, 40.000 Mitglieder

Belgien: Syndicat des Mecaniciens de Liege, 250 Mitglieder

Bolivien: Federacion Local de la Paz (Anzahl der Mitglieder nicht zu ermitteln)

Brasilien: Federacao Operaria de Rio de Janeiro, 4.000 Mitglieder.

Federacao Operaria de Rio Grande do Sul, 2.000 Mitglieder

Federacao Operaria de Bage (Anzahl der Mitglieder nicht zu ermitteln)

Federacao Operaria de Uruguayana (Anzahl der Mitglieder nicht zu ermitteln)

Federacao Operaria de Pelotas und Para. (Anzahl der Mitglieder nicht zu ermitteln)

Bulgarien: Anarchosyndikalistische Propagandaorganisation Anzahl der Mitglieder nicht angegeben)

Chile: Industrial Workers of the World illegal. (Anzahl der Mitglieder nicht zu ermitteln)

Costa Rica: Agrupacion Obrera de Estudios Sociales (Anzahl der Mitglieder nicht zu ermitteln)

Deutschland: Freie Arbeiter-Union (Anarcho-Syndikalisten)

Frankreich: Confederation General du Travail Syndicaliste revolutionaire, 8.000 Mitglieder

Guatemala: Comite pro Accion Sindical de Guatemala, 2.000 Mitglieder

Holland: Nederlandsch Syndicalistisch Vakverbond, 1500 Mitglieder

Italien: Emigrationskomitee der Syndikalistischen Union Italiens

Japan: Kanto Chibo Ippon Rodosha Kumial (Mitgliederzahl nicht festzustellen)

Mexiko: Confederacion General de Trabajadores (Mitgliederzahl nicht festzustellen)

Norwegen: Norsk Syndikalistisk Federasjon, 500 Mitglieder

Österreich: Propagandagruppe für die Freie Arbeiter-Union Österreichs

Paraguay: Centro Obrero Regional des Paraguay (Mitgliederzahl nicht angegeben)

Peru: Agrupacion „La Protesta“ (Mitgliederzahl nicht angegeben)

Polen: Anarchosyndikalistische Gewerkschaftsopposition (Mitgliederzahl nicht angegeben)

Portugal: Confederacao Geral do Trabalho (Mitgliederzahl nicht angegeben)

Rumänien: Anarchosyndikalistische Propagandaorganisation. Etwa 200 Mitglieder

Schweden: Sveriges Arbetares Centralorganisation, 28150 Mitglieder

Spanien: Confederacion Nacional del Trabajo, 250.000 Mitglieder

Uruguay: Federacion Obrera Regional Uruguaya, 6.000 Mitglieder

Im Jahre 1930 hat die IAA in zwei neuen Ländern Fuß gefasst: in Bulgarien und in Rumänien. In beiden Ländern wurden anarchosyndikalistische Propagandagruppen gebildet, die sich der IAA angeschlossen haben. Die bulgarische Gruppe hat Aussicht, alle freiheitlichen Elemente des Landes in einer antiautoritären föderalistischen Gewerkschaft zusammenzufassen. Die Gruppe gibt ein monatliches Blatt unter dem Namen Rabotnik heraus, das für die Prinzipien der IAA eintritt. In allen anderen Ländern haben sich die Organisationen gehalten.

Unsere spanische Bewegung

Die größte Organisation der IAA – im Brennpunkt des Kampfes für die Zukunft

Eine Szene vom IAA-Kongress 1931 in Madrid.

Die Ereignisse, die sich im Jahre 1930 im politischen Leben Spaniens abspielten, waren auch für die syndikalistische Bewegung von weittragender Bedeutung. Sieben Jahre lang, von 1923 bis Anfang 1930, seufzte das Land unter der Militärdiktatur Primo de Riveras, die sich in erster Linie gegen den revolutionären Syndikalismus gewandt hatte. Unter dem Schutze der Diktatur hatte sich die reformistische Gewerkschaftsbewegung unbehindert entwickelt, während die syndikalistischen Organisationen verboten, eine große Anzahl von Genossen ermordet und eine noch größere Zahl in den Gefängnissen waren. Anfang 1930 mußte Primo de Rivera unter dem Drucke der Bevölkerung zurücktreten. Die revolutionäre syndikalistische Bewegung konnte sich wieder an die Öffentlichkeit wagen. Die Confederacion Nacional del Trabajo blieb gesetzlich immer noch verboten, denn die neue Regierung wurde auch von einem Militär, General Berenguer, gebildet. Doch sie war nicht stark genug, um es zu wagen, die revolutionären Arbeiterorganisationen zu verbieten.

In Barcelona bildete sich das neue Landeskomitee der CNT. Zu Tausenden strömten die Arbeiter in die revolutionär-syndikalistischen Gewerkschaften, die immer noch ungesetzlich blieben. Neue Zeitungen erschienen in allen Teilen des Landes, und in Barcelona wurde die „Solidaridad Obrera“, die bereits vor der Diktatur Primo de Rivera täglich erschien, wieder als Tageszeitung herausgegeben. Die Auflageziffer der Zeitung schwankt zwischen 25.000 und 40.000 Exemplaren täglich. Im Laufe des Jahres 1930 wuchs die CNT dauernd, so dass sie im Jahresende annähernd 250.000 Mitglieder zählte.

Kämpfe

Die Arbeiter Spaniens sehen in der CNT die glorreiche Organisation, die in der Vergangenheit ungezählte mutige Kämpfe für die Besserstellung des Proletariats und für die soziale Befreiung geführt hat. Es war daher durchaus verständlich, dass das Wiedererscheinen der CNT als Anfang neuer Kämpfe begrüßt wurde. Die Arbeiter, die 7 Jahre lang nicht nur politisch, sondern auch wirtschaftlich unterdrückt waren und deren Verteidigung gegen die Anmaßungen des Unternehmertums von der Diktatur unmöglich gemacht wurde, gingen sofort wieder unter dem Banner der CNT zum offenen Angriff über, um ihre während der Diktatur verloren gegangenen Positionen wieder zurückzuerobern. (Der 8-Stundentag, den die spanischen Arbeiter schon vor der Diktatur errungen hatten, blieb auch während der Diktaturperiode bestehen.) In allen Teilen des Landes, besonders aber in Katalonien und Andalusien, traten die Arbeiter in Streiks, um den Forderungen auf Erhöhung der Löhne und Verbesserungen der Arbeitsbedingungen Nachdruck zu verschaffen. In einigen Städten, wie Valencia, Sevilla und Barcelona, wurde im laufe des Jahres teils um wirtschaftlicher, teils um politischer Forderungen willen der Generalstreik proklamiert, der stets einige Tage durchgeführt wurde. Fast alle Kämpfe für wirtschaftliche Forderungen waren erfolgreich. Die politischen Kämpfe waren nicht nur von den Arbeitern, sondern auch noch von anderen Faktoren abhängig. Beim Militäraufstand in Jaca, an dem sich auch die militärischen Luftkräfte in Madrid beteiligt hatten, haben die syndikalistischen Arbeiter ebenfalls durch Erklärung des Generalstreiks teilgenommen, während die reformistischen Gewerkschaften unter dem Einfluß von Parteipolitikern nur zögernd und nur in geringem Maße daran teilnahmen. Durch die Halbheiten der Politiker und durch den Umstand, dass die revolutionären Arbeiter unbewaffnet waren, kam diese Bewegung letzten Endes doch zum Scheitern.

Bei allen Kämpfen, die das spanische Volk im letzten Jahre um seine politischen Freiheiten geführt hat, standen die Syndikalisten an erster Stelle.

Stellungnahme zu den politischen Kämpfen

Die politischen Kämpfe, die sich im Jahre 1930 in Spanien abrollten, forderten von den Syndikalisten eine klare Stellungnahme. Diese wurde zu gewissen Zeiten dadurch erschwert, dass die bürgerlichen Republikaner und Sozialdemokraten nach Sturz Primo de Riveras für die demokratischen Freiheiten eintraten, die in den Rechten der Versammlungsfreiheit, Pressefreiheit, Redefreiheit usw. bestanden. Da auch nach Riveras Sturz die syndikalistischen Organisationen noch verboten blieben, waren unsere Genossen gezwungen, Aufhebung der drückenden Verbote zu fordern. Diese Forderung brachte sie in eine Front mit den bürgerlichen und sozialistischen Demokraten. Das ergab sich ganz zwangsläufig aus den gegebenen Verhältnissen. Die Folge dieser Zwangsläufigkeit war die Frage, ob sich die revolutionären Arbeiter nicht mit den Demokraten und Republikanern verbinden sollten, um für die Gegenwartsforderungen eine geschlossene Phalanx zu bilden, durch die die Kraft der Opposition gegen die Regierung zweifellos gestärkt worden wäre. Einige Genossen innerhalb der CNT waren für eine vorübergehende Zusammenarbeit, andere dagegen. Diese Frage war von so großer Bedeutung, dass sich auch die Syndikalisten anderer Länder damit beschäftigten. Die Bürositzung der IAA am 1. und 2. Juni 1930 beschäftigte sich mit den Verhältnissen in Spanien. Sie arbeitete einen Aufruf aus, der das spanische Proletariat aufforderte, in den Reihen der CNT für das Vereins-Versammlungsrecht und für die freie Meinungsäußerung in Wort und Schrift, und darüber hinaus für die Beseitigung der wirtschaftlichen Ausbeutung und politischen Unterdrückung zu kämpfen.

Die CNT stellte sich geschlossen ohne Schwanken auf diesen Standpunkt und blieb damit ihren freiheitlichen Traditionen treu.

Neuaufbau der Organisation

Die Voraussetzung für erfolgreiche Führung aller Kämpfe war die Reorganisation der Gewerkschaften. Das Jahr 1930 sah ein unaufhörliches Wiederauferstehen der revolutionären Gewerkschaften der CNT. In vielen Provinzen werden Konferenzen abgehalten, die örtlichen Gewerkschaften vereinigten sich zu Ortsverbänden, und diese zu Provinzialverbänden. Auf den Provinzialkonferenzen wurden Delegierte für den Landeskongreß gewählt, der möglichst bald zusammentreten und die organisatorische Aufbauarbeit vollenden sollte. Dieser Kongreß konnte leider nicht stattfinden. Zweimal war er vorbereitet und festgesetzt, doch beide Male wurde er von den Behörden verboten, die in dem raschen und mächtigen Anschwellen des Anarchosyndikalismus eine Gefahr erblickten. Der Landeskongreß wird erst im Jahre 1931 verwirklicht werden können.

Zum Neuaufbau gehört auch die Bildung von Industrieföderationen, die alle Gewerkschaften der gleichen Industrie über das ganze Land zusammenfassen. Zur Bildung derselben sind ebenfalls Landeskonferenzen notwendig, die noch nicht haben stattfinden können. Auch muß sich der Kongreß erst für die Bildung dieser Industrieverbände aussprechen, was bisher noch nicht hat vor sich gehen können. Ein genauer Bericht über die Stärke der syndikalistischen Organisationen in den einzelnen Industrien und Landesteilen Spaniens konnte am Ende des Jahrs 1930 noch nicht gegeben werden, weil die Aufbauarbeit noch nicht endgültig vollzogen worden war. Überblickt man jedoch am Ausgang des Jahres 1930 die syndikalistische Bewegung Spaniens, dann kann man feststellen, dass sich ein ungeheurer Fortschritt vollzogen hat.

Kampf für die Freigabe der politischen Gefangenen

Eine der wichtigsten Gegenwartsaufgaben unserer spanischen Sektion war im Jahre 1930 der Kampf für die Freigabe der politischen Gefangenen. Während die bürgerlichen Gegner der Monarchie, die für ihren Kampf für die Republik verhaftet waren, größtenteils amnestiert worden sind, hat man die revolutionären Klassenkämpfer in Haft behalten. Hunderte unserer Genossen sind trotz Sturz der Diktatur Rivera immer noch der Freiheit beraubt. Eine der Hauptforderungen, die die CNT bei der Regierung stellte und die sich auch durch öffentliche Protestaktionen erhärtete, war auf die Freilassung der sozialen Klassenkämpfer gerichtet. Einige unserer Genossen sind im laufe des Jahres freigelassen worden, während ein großer Teil bei Ausgang des Jahres 1930 immer noch in den Gefängnissen schmachtet.

Aus: „Der Syndikalist“, Nr. 16/1931 (April)

Zur Sonderseite „Ein Jahrhundert CNT“ geht es hier (Homepage in spanisch)


Hinterlasse einen Kommentar